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22. Juni 2015

Durchwachsene Vinexpo-Bilanz

Die offiziellen Besucherzahlen werden zwar erst im Laufe der Woche verkündet – aber die Veranstalter der Vinexpo haben nach Abschluss der fünftägigen Messe schon mal ein positives Fazit gezogen. Sie loben vor allem den internationalen Zuschnitt der Leistungsschau sowie die hohe Besucherqualität und sehen die Erneuerung der Vinexpo als geglückt an. Die Bilanz zahlreicher Teilnehmer fällt allerdings nicht ganz so euphorisch aus. Doch der Reihe nach.
Nach Angaben der Organisatoren bewegten sich die noch nicht näher bezifferten Besucherzahlen der diesjährigen Ausgabe, die vom 14. bis 18. Juni auf dem Messegelände Bordeaux über die Bühne ging, auf dem Niveau der vorangegangenen Veranstaltung. Damals, im Jahr 2013, zählten die Vinexpo-Macher rund 48.800 Besucher. Die Zahl der französischen Gäste sei diesmal zwar leicht gesunken, das sei aber durch gestiegene Besucherzahlen (+2%) aus dem Ausland kompensiert worden. Der Anteil des internationalen Publikums habe sich in diesem Jahr bei 36% bewegt. Den meisten Zuspruch notierten die Veranstalter dabei von Seiten der Besucher aus China, deren Zahl sich gegenüber der vorangegangenen Ausgabe um 14% erhöhte. Mancher Beobachter mutmaßte gar, dass es ohne die omnipräsenten asiatischen Gäste ein ziemliches Desaster gegeben hätte. Auf Platz zwei rangieren die Teilnehmer aus den USA; von dort kamen diesmal 14,5% mehr „Buyer“, was auch dem geschickten Schachzug zu verdanken sein dürfte, dass die USA zu Ehrengästen („Country of Honour”) ernannt wurden. Die Organisatoren verbuchten zudem eine „starke Präsenz“ von Spaniern und Italienern.
 
Etliche Aussteller bestätigten darüber hinaus gegenüber WEIN+MARKT eine gute Resonanz aus Südamerika, Osteuropa und Skandinavien. Insgesamt kamen laut Messegesellschaft Fachleute aus 151 Ländern nach Bordeaux gereist – das sei ein neuer Rekord. „Die Vinexpo ist zweifellos der weltweit führende Treffpunkt für Profis aus dem Wein- und Spirituosensektor“, das „unangefochtene Zentrum für das internationale Wein- und Spirituosenbusiness“, frohlockt denn auch die Messegesellschaft. Doch diese überschwängliche Einschätzung wird mittlerweile von kaum noch einem Aussteller oder Besucher geteilt – zumindest nicht von denen, die seit längerem im weltweiten Messezirkus mitmischen. Die meisten von ihnen sind der Meinung, dass inzwischen die ProWein der Vinexpo den Rang als internationale Leitmesse für die Wein-, Schaumwein- und Spirituosenbranche abgelaufen hat. Auch bei den Ausstellerzahlen rangiert die ProWein (mit ca. 6.000 aus 50 Ländern) mittlerweile weit vor der Vinexpo (2.350 aus 42 Ländern). „Wenn es um professionelles Arbeiten geht, ist die ProWein in Düsseldorf die absolute Nummer eins“, war allenthalben an den Messeständen zu hören.
„Hier geht’s ums Image, gearbeitet wird in Düsseldorf“, urteilte stellvertretend Francis Dieudonné, Europa-Chef bei Les Grands Chais de France. Frankreichs größter Weinexporteur sorgte in Bordeaux mit einem 1.000 qm großen Giganto-Stand für Aufsehen. „Der Aufwand für einen Auftritt in solchen Dimensionen lohnt sich nicht für die altbewährten Kunden aus Europa. Damit wollen wir in erster Linie die Kundschaft im Fernexport ansprechen“, erklärte Dieudonné. Die meisten seiner Kollegen sehen es ähnlich. Zahlreiche marktrelevante Weinanbieter fokussieren ihre Messeauftritte mehr und mehr auf die ProWein und die an Bedeutung gewinnenden Messen in Asien. Darüber hinaus hat die Vinexpo mit der Vinisud in Montpellier eine starke Konkurrenz im eigenen Land bekommen. Das wissen natürlich auch die Vinexpo-Macher, die deshalb in diesem Jahr mit einem modifizierten Konzept aufwarteten, um den Teilnehmern mehr Service zu bieten und so die Attraktivität wieder zu steigern. Dazu gehörten ein neues „Layout“ der Messe, drei Verkostungszonen (für Rosés, Schaumweine und Süßweine), diverse Konferenzen zu verschiedenen Fachthemen und Exportmärkten oder die DigiZone für Weinblogger.
Aus Sicht der Veranstalter ist das Konzept aufgegangen. Sie bezeichnen die Vinexpo (deren Motto „taste the unexpected“ lautete) als „renewed“, also quasi als runderneuert. Außerdem komme es nicht auf die Menge von Besuchern, sondern auf deren Qualität an. Und die habe gestimmt. Tatsächlich gab es sowohl auf Aussteller- als auch auf Besucherseite eine ganze Reihe zufriedener Gesichter. Man habe in entspannter Atmosphäre mehr Zeit für gute Gespräche gehabt und Kontakte zu interessanten potenziellen Handelspartnern knüpfen können, die man zum Beispiel auf der ProWein nicht treffe, wurde gelobt. „Jetzt gibt es nach 35 Jahren endlich eine funktionierende öffentliche Verkehrsanbindung der Messe an die Stadt, die Toiletten werden endlich regelmäßig gereinigt und die Parkplätze sind überdacht“, freute sich mancher treue Teilnehmer. Andererseits war gerade unter langjährigen Besuchern zu hören, „dass die Vinexpo ihren Zenit überschritten hat“. Die Zeiten, in denen man durch das Getümmel in den vollen Gängen geschoben wurde sind längst vorbei. Die Ausstellungsfläche ist luftig gestaltet. Zwischen den Ständen ist ausreichend Platz, drohende Freiflächen wurden von Verkostungszonen oder dem großzügig geplanten Pressezentrum gefüllt, das ans Ende der Halle 1 verlegt wurde, was den verbliebenen Ausstellern die ärgerliche Platzierung in einer toten Ecke ersparte. Die Halle 2 wurde gleich ganz geschlossen. Laut diverser Hallenpläne sollten dort angeblich „Tasting Zones“ eingerichtet sein. Doch tatsächlich wurde die Halle 2 zum Palettenlager degradiert. Immer mehr Teilnehmer haben der Messe in den vergangenen Jahren den Rücken gekehrt, und nach Einschätzung von Marktbeobachtern wird es schwer sein, diesen Trend umzukehren. Selbst etliche Weinproduzenten aus Bordeaux haben sich, anstatt einen teuren Stand zu mieten, lieber eine Eintrittskarte gekauft und einen Tisch in einem der zahlreichen Restaurants am Seeufer für sich und ihre internationalen Kunden reserviert. Ein halbes Dutzend Rendezvous mit Kunden und zwei oder drei entspannte Messetage später, zeigten sich einige dieser „Untergrundkämpfer“ äußerst zufrieden mit dem Ergebnis dieser Strategie. Darüber hinaus monierten etliche Teilnehmer, dass die Vinexpo zu spät im Jahr stattfindet („die Kontrakte für das laufende Jahr sind im Juni längst gemacht“), dass die Messedauer mit fünf Tagen viel zu lang ist und dass die Kosten für einen Messeauftritt den Nutzen bei weitem übersteigen. Die horrenden Hotelkosten in und um Bordeaux, selbst für heruntergekommene Quartiere, schrecken zudem immer mehr potenzielle Teilnehmer ab – weshalb zahlreiche Besucher ihre Präsenz auf ein oder zwei Tage beschränken oder gleich ganz zu Hause bleiben. Das gilt auch für Einkäufer, Importeure und Händler aus Deutschland, die (gemessen an früheren Zeiten) in diesem Jahr nur noch spärlich vertreten waren.
Symptomatisch für das gesunkene Interesse des hiesigen Fachpublikums ist die Tatsache, dass der Bundesverband Wein und Spirituosen International e. V. (BWSI) parallel zur Vinexpo am 16. und 17. Juni seine Mitgliederversammlung in Berlin abhielt. „Für die Mehrzahl der Mitglieder ist die Vinexpo nicht mehr so interessant. Und die meisten, die trotzdem dort waren, haben ihren Messebesuch auf einen Tag beschränkt“, kommentiert BWSI-Präsident Christoph Mack. Auf die Vinexpo-Erneuer wartet also noch einiges an Arbeit. Xavier de Eizaguirre (Chairman der Vinexpo) und Guillaume Deglise (CEO) haben für die kommende Ausgabe schon mal ein „neues Format” avisiert. Die Vinexpo 2017 wird nur noch an vier Tagen, von montags bis donnerstags, stattfinden. Bereits fest stehen – davon unabhängig – die Termine für die beiden asiatischen Vinexpo-Ableger: die Vinexpo Hong Kong (24. bis 26. Mai 2016) und die Vinexpo Tokyo (15./16. November 2016). -wer-/-he-