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29. April 2024

Hawesko Holding - Verdrängen und expandieren

Die Hawesko Holding SE, Ham
Thorsten Hermelink, Vorstandsvorsitzender Hawesko Holding AG
burg, realisierte im Geschäftsjahr 2023 einen Umsatz von rund 660 Millionen Euro und verbuchte damit ein Umsatzminus von 1,7 Prozent gegenüber dem Vorjahresergebnis (knapp 671,5 Millionen Euro). Das geht aus dem aktuellen Geschäftsbericht hervor, den die Unternehmensgruppe am 18. April veröffentlichte. Die Hanseaten mussten damit bereits zum zweiten Mal in Folge einen Umsatzrückgang hinnehmen, nachdem sie im Geschäftsjahr 2021 einen Umsatzrekord von 680,5 Mio. Euro erzielt hatten. Auch das EBIT schrumpfte. Mit einem breitgefächerten Maßnahmenpaket soll nun die Trendumkehr geschafft werden. Während sich die operativen Einheiten im Bereich Retail und B2B nach Angaben des Unternehmens im vergangenen Geschäftsjahr „sehr gut behaupteten“, konnte sich der Konzern „dem schwachen Trend im deutschen E-Commerce Markt – analog der gesamten Branche – nicht entziehen“. Die Hawesko Holding habe zwar auch 2023 ihre Position als größter deutscher Online-Weinhändler untermauert, doch der Konzernumsatz im E-Commerce brach um 9,1 Prozent ein (von 242,4 Millionen auf 220,3 Millionen Euro). Da-bei war die messbare Frequenz auf den Online-Shops der Gruppe nach Angaben des Unternehmens „auf einem zufriedenstellenden Niveau“. Allerdings fielen die Conversion-Rate sowie die durchschnittlichen Warenkörbe im Vergleich zum Vorjahr kleiner aus. „Das ist auch ein Stück weit der Fluch des riesigen Erfolgs während der Pandemie, in der die Leute wie verrückt online bestellt haben, und im E-Commerce gigantische Wachstumsraten zu erzielen waren. Es war abzusehen, dass es nach der Pandemie nicht auf einem solch hohen Niveau weitergehen kann“, erklärt Thorsten Hermelink, Vorstandsvorsitzender des Konzerns gegenüber WEIN+MARKT. Das Kaufverhalten habe sich wieder verändert. „Außerdem haben die Leute weniger Kaufkraft zur Verfügung, sie geben deshalb weniger Geld aus - und gespart wird überproportional im E-Commerce“, analysiert Hermelink. Darüber hinaus habe es „inflationäre Kostenerhöhungen“ für Verpackungsmaterialien und Versand gegeben („Die letzte Meile ist verdammt teuer geworden“). Das sei zulasten der Profitabilität gegangen. „Das haben nicht nur wir, sondern alle Unternehmen aus der E-Commerce-Branche zu spüren bekommen“, sagt der Vorstandsvorsitzende. Er rechnet deshalb damit, dass noch einige Online-Player, die in die Verlustzone geraten sind oder geraten werden, das Handtuch werfen müssen.
 
Besser verlief für die Gruppe das Geschäft im B2B-Segment. Das profitierte vom Erstkonsolidierungseffekt der zum 1. Juli 2022 mehrheitlich übernommenen tschechischen Firma Global Wines and Spirits (Jahresumsatz: 11 Millionen Euro) und konnte deshalb um 3,3 Prozent wachsen: von 200,6 Millionen auf 207,2 Millionen Euro. Bereinigt um diesen Effekt sanken die Umsatzerlöse in der B2B-Sparte allerdings ebenfalls: um knapp 1 Prozent. Während die Gastronomie- und Hotellerie-Umsätze dabei gesteigert werden konnten, gin-gen die Fachhandels- und Lebensmitteleinzelhandelsumsätze zurück. Erneut positiv entwickelte sich das Retail-Segment des Konzerns. Angetrieben durch Jac-ques’ Wein-Depot erhöhte sich der Umsatz in der Sparte um 1,9 Prozent von 228,5 Millio-nen auf 232,7 Millionen Euro. Dank Jacques’ erwies sich die Retail-Sparte zudem einmal mehr als profitabelstes der drei Geschäftssegmente des Konzerns (siehe Chart „Entwicklung des EBITS der Segmente). Ein Teil des Wachstums resultiert dabei aus der Erweiterung des Ladennetzes. Die Zahl der Depots wuchs im vergangenen Jahr von 332 auf 338. Interessante Randnotiz: Die Partnerprovisionen für die für Jacques’ agierenden Agenturin-haber stieg von ca. 45,74 Millionen auf ca. 46,56 Millionen Euro. Das sind rein rechnerisch im Schnitt 137.834 Euro pro Depot. Davon abgezogen werden die Miet- und Pachtkosten, die sich von 11,41 auf 11,80 Millionen Euro erhöht haben - also im Schnitt auf rund 34.911 Euro pro Depot. Noch nicht gelungen ist der angestrebte Turnaround bei Wein & Co. Die österreichische Fachhandelstochter des Hawesko-Konzerns, die 23 Shops und Bars betreibt (Vorjahr 22) fuhr auch 2023 einen Verlust ein: 2,46 Millionen Euro.
 
„Natürlich ist es nicht gut, wenn man zum zweiten Mal in Folge ein Umsatzminus ausweisen muss“, kommentiert Thorsten Hermelink das 2023er Geschäftsergebnis des Konzerns. Er betont aber, dass sich die Hawesko-Gruppe auch im vergangenen Jahr „in einem insgesamt durch Konsumzurückhaltung geprägten Umfeld und bei einem allgemein rückläufigen Weinkonsum pro Kopf besser als der Gesamtmarkt behaupten konnte“. „Sehr differenziert gesteuerte Preiserhöhungen“ hätten zu dieser Entwicklung beigetragen. Parallel dazu sei man in der Lage gewesen, steigenden Kosten entlang der gesamten Wertschöpfungskette dank zielgerichteter Kostensenkungen und Produktivitätsverbesse-rungen zu begegnen, so dass das operative Konzern-EBIT mit 34 Millionen Euro „nur leicht unter dem Wert des Vorjahres“ (37 Millionen Euro) gelegen und die EBIT-Marge immerhin noch 5 Prozent betragen habe. „Und immerhin lag der Gesamtumsatz 2023 über 20 Prozent über dem Niveau vor der Pandemie“, betont Hermelink. Dabei hätten sich gestiegene Energie-, Herstellungs-, Beschaffungs-, Logistik-, Material- und Personalkosten negativ auf das EBIT ausgewirkt. Der Fokus liege deshalb darauf, noch kosteneffizienter zu arbeiten und interne Prozesse sowie Strukturen zu optimieren. Effizienzsteigerungs-Potenziale und Einspareffekte erhofft sich der Vorstandsvorsitzende unter anderem vom 2023 in Betrieb genommenen neuen Lager der Gruppe in Tornesch, vom Einsatz mobiler Roboter-Technologien, aber auch von der Nutzung künstlicher Intelligenz, zum Beispiel bei der Texterstellung oder beim Thema Illustrationen/Fotos. Perspek-tivisch kann er sich auch den Einsatz von virtuellen Beratern (Bots) in der Kommunikation mit Kunden vorstellen - „natürlich nicht im stationären Handel, aber online“. Es gehe nicht um „Entmenschlichung, sondern um eine Erhöhung der Servicequalität“ erläutert Hermelink. Impulse verspricht er sich zudem vom noch recht jungen Hawesko „Marktplatz“, den das Unternehmen im November vergangenen Jahres online aufgeschaltet hat. Derzeit werden dort rund 1.500 Produkte angeboten. Ende 2024 sollen es 5.000 sein. Punkten möchte die Gruppe zudem mit der Skalierung ihres Online-Formats Wir Winzer, das (neben Deutschland) inzwischen auch in Gestalt der Wir Winzer Mercato del Vino s.r.l. in Italien präsent ist - allerdings noch nicht wirklich offensiv agierend. Im laufenden Jahr soll dort aber „die Marketing-Maschine angeworfen“ werden. In naher Zukunft soll das Format darüber hinaus in Frankreich, Spanien und Portugal ausgerollt werden. Das strategische Ziel des Konzerns bleibe unverändert, „Europas größte, innovativste und profitabelste Weinhandelsgruppe im Premiumbereich zu sein“ und „langfristig eine operative EBIT-Marge von 7 Prozent zu erreichen“, blickt Thorsten Hermelink nach vorn. Die „bereits sehr gute, europäische Marktposition der Gruppe“ soll nach seinen Worten in den kommenden Jahren weiter ausgebaut werden - zum einen durch Akquisitionen, zum anderen durch die gezielte Expansion von bereits etablierten Formaten. So sei beispielsweise eine weitere Flächenexpansion für Jacques’ in den kommenden Jahren auf bis zu 500 Depots geplant. Profitieren könnte die Kette dabei von der anhaltenden Veränderung des deutschen Einzelhandels in B- und C-Lagen. In den vergangenen Jahren wurde die Expansion gebremst, weil es zu wenig bezahlbare, geeignete Standorte gab. Leerstände und sinkende Mieten für Gewerbeimmobilien könnten nun vermehrte Standortangebote entstehen lassen. Darüber hinaus soll der Lieferservice aus den Depots direkt an die Kundschaft forciert werden. Außerdem sollen die Marketingmaßnahmen stärker personalisiert und auf die individuellen Kundenbedürfnisse abgestimmt werden.
 
 
 
Um die Profitabilität zu erhöhen, treibt der Konzern auch die Sortimentsoptimierung voran. Produkte bzw. Lieferanten, die keine zufriedenstellende Marge bieten, sollen ausgetauscht werden. Darüber hinaus setzt das Unternehmen verstärkt auf Low- bzw. No-Alcohol-Produkte (inklusive Entwicklung von eigenen Angeboten). Mit Blick auf das Jahr 2024 erwartet der Hawesko-Vorstand nun – angesichts der anhaltend herausfordernden ökonomischen Rahmenbedingungen – für die Unternehmensgruppe eine „Seitwärtsbewegung, unter der Erwartung eines erfreulichen Jahresendgeschäfts jedoch einen leicht positiven Umsatztrend“. Der deutsche Weinmarkt sei gesättigt und austariert. Hinzu kommen eine schlechte Verbraucherstimmung, ein schlechtes Konsumklima, gestiegene Lebenshaltungskosten sowie andauernden Krisen. Die Nachfrage nach Wein ist vor diesem Hintergrund zuletzt deutlich gesunken. Hermelink geht nicht davon aus, dass es im Weinbereich zu einer „Wunderheilung durch eine verbesserte Konsumlaune kommt“. Wachstum sei vor diesem Hintergrund nur durch Verdrängung, Akquisitionen und „das bessere, marktgerechtere, kundenfreundlichere Konzept“ zu realisieren („Kunden erwarten best in class services“). Akquisitionen seien derzeit in Deutschland allerdings keine geplant. „Hier haben wir schon einen sehr hohen Marktanteil“, konstatiert Hermelink. Auch in BeNeLux oder Großbritannien seien keine Übernahmen oder Beteiligungen vorgesehen. Diese Märkte sollen stattdessen bei Bedarf von den bestehenden Strukturen der Gruppe beliefert werden, und zwar mit höherpreisigen „Fine Wines“, für die sich der Versandaufwand lohnt. Mehr Akquisepotenzial vermutet der Vorstandsvorsitzende in Osteuropa, zum Beispiel in Polen. Im Baltikum ist die Gruppe bereits im B2B-Bereich aktiv: Im Oktober 2023 erwarb sie dort über ihre 100-prozentige Tochter Global Eastern Wine Holding für 7,1 Millionen Euro 50 Prozent an der Dunker Group. Die Dunker Group verfügt über Standorte in Estland, Lettland und Litauen. erwirtschaftete im vergangenen Jahr knapp 77 Millionen Euro Umsatz und bewegte sich dabei mit einem Überschuss von 2,14 Millionen Euro in der Gewinnzone. Die Gruppe ist zudem nach Auskunft von Hawesko Eigentümerin marktführender Marken wie Gran Castillo (meistverkaufte Weinmarke in Lettland), Dreamer (meist verkaufte Weinmarke in Estland), Casa Charlize (meist verkaufter italienischer Wein in Estland und Lettland) und Aramis (meist verkaufter Weinbrand in Lettland). Einstellen will die Hawesko Holding dagegen in diesem Jahr den Geschäftsbetrieb ihrer in Schweden tätigen The Wine Company (TWI). Begründet wird die Entscheidung damit, dass man für die 2010 gegründete Tochtergesellschaft durch veränderte Rahmenbedingungen keine realistische Chance mehr sehe, profitabel zu arbeiten (siehe März-Ausgabe von WEIN+MARKT, Seite 10). -wer-