29. September 2015
Württemberger sehr entspannt
Es
gehört zu den Aufgaben eines Weinbaupräsidenten, von der Politik immer das
Maximum für seinen Verband zu fordern. So tat es auch der Württemberger
Präsident Hermann Hohl (Foto re., mit Minister Alexander Bonde und der Württemberger Weinkönigin Stefanie Schwarz) anlässlich der Herbstpressekonferenz des Weinbauverbands
Württemberg am 28. September in den Weinbergen des Heilbronner Weinguts
Albrecht-Kiessling, dessen Eigentümer, Peter Albrecht, das Amt des
Vizepräsidenten bekleidet. Angesichts des heißen und trockenen Sommers 2015
forderte Hohl vom anwesenden baden-württembergischen Weinbauminister Alexander
Bonde volle Unterstützung, finanziell wie politisch, um eine flächendeckende
Bewässerung der Wengert zu realisieren. Er wünsche sich das Recht, Brunnen zu
bohren, Rückhalte- und Speicherbecken anzulegen sowie Tröpfchenbewässerung zu
installieren - und das Geld dafür von EU, Bund und Land gleich dazu. Immerhin
15.000 bis 20.000 Euro kalkuliert der Weinbaupräsident für die Wasserversorgung
der Reben pro Hektar.
Minister
Bonde wollte und konnte dazu in diesem Moment nichts sagen, aber er ließ die
anwesenden Journalisten wissen, dass er den Bund aufgefordert habe, eine
steuerfreie Risikoausgleichsrücklage für landwirtschaftliche Betriebe
einzuführen, womit diese Vorsorge für Krisensituationen treffen könnten. Er
hatte aber auch Konkretes im Gepäck. So geht das Land Baden-Württemberg im
Rahmen seines Förderprogramms FAKT (Förderprogramm für Agrarumwelt, Klimaschutz
und Tierwohl) mit der Steillagenförderung auf den von der EU erlaubten
Höchstsatz von 900 Euro/ha. Die Förderung der Umstrukturierung von Steillagen
ist mit bis zu 32.000 Euro nach Angaben des Ministers die höchste bundesweit.
Für den ökologischen Landbau wird die auf 1.275 Euro/ha erhöhte Einstiegsförderung
für Dauerkulturen für zwei Jahre gewährt, und für die Beibehaltung werden 750
Euro/ha gezahlt. Außerdem werden mit der Neuausrichtung der Direktzahlungen der
EU 2015 erstmals Zahlungsansprüche für Rebflächen vergeben. Das bedeutet, dass
Weinbaubetriebe ab 2015 rund 300 Euro/ha und Jahr erhalten.
Zum
neuen Jahrgang wusste Präsident Hohl nur Gutes zu berichten. Die Lese in
Württemberg sei seit einer Woche in vollem Gang, mit dem Abschluss der
Hauptlese sei schon in der letzten Septemberwoche zu rechnen. Die Ernte der
Hauptrebsorten würde sich – anders als in früheren Jahren – nahtlos aneinander
anschließen, da die Mostgewichte fast überall schon erfreulich hoch seien, was
er mittels Refraktometer sofort mit Lemberger-Beeren von Peter Albrecht unter
Beweis stellte. Ergebnis: 100 Grad Öchsle am Heilbronner Wartberg. Für Hohl ist
der 2015er Jahrgang „nicht weit“ vom Jahrgang 2013 entfernt, und die
Kellermeister erwarte ein „Riesenpotenzial der Trauben“.
Gleichwohl,
die Trockenheit hätte mancherorts schon für Probleme gesorgt. So im Taubertal,
im Zabergäu und im Weinsbergertal. „Der Klimawandel ist angekommen“, so sein
Resümee. „Die Ernte ist ungewöhnlich früh, und wer bewässern konnte, ist dieses
Jahr klar im Vorteil“, ist er sich sicher. Der Verbandspräsident erwartet zwar
keinen Vollherbst, aber immer noch ein Erntevolumen, das über dem fünfjährigen
Durchschnitt liegt. „Infolge der in manchen Regionen länger anhaltenden
Wasserknappheit rechnen wir insgesamt mit Mengeneinbußen von rund 15% gegenüber
einem Vollherbst“, schätzt Hohl. Damit dürfte das Erntevolumen über dem des
Vorjahres liegen: 2014 wurden in Württemberg im Schnitt ca. 92 hl/ha bzw.
insgesamt 103 Mio. Liter Weinmost eingebracht.
Nach
Aussage des Präsidenten hat sogar die Riesling-Lese schon im September begonnen
– eine Tatsache, die für Württemberger Wengerter noch vor 15 Jahren völlig
unvorstellbar gewesen sei. Auch Vizepräsident Bernhard Idler, Kellerchef der
WZG in Möglingen, zeigte sich entspannt und rundum zufrieden mit der
Traubenqualität und dem bisherigen Verlauf der Ernte. Die Trauben und Moste
seien „sehr aromatisch“, die nunmehr kühlen Nächte „sehr gut für die weitere
Entwicklung der Trauben, die noch am Stock hängen“. Die Mostgewichte seien
durchschnittlich 5 bis 10 Grad Öchsle höher als in den letzten Jahren. Somit werde
wieder mit einem ausreichend großen Anteil an Prädikatsweinen gerechnet, ließ
er die Journalisten wissen. Weingutsbesitzer Peter Albrecht vergaß jedoch
nicht, anzufügen, dass er es mit der Lese bei weitem nicht so eilig habe. Viele
seiner Trauben dürften noch am Stock bleiben, denn er wolle die günstigen
Bedingungen nutzen und seine „Top-Qualitäten auf die Spitze treiben“. -he-