05. September 2025

Know-how: Was ist eigentlich ... Hefepropagation?

Von der Spontangärung bis zur Reinzuchthefe: Die Gärung gehört seit jeher zu den entscheidenden Stellschrauben der Weinbereitung. Während Trockenhefen heute zwar Standard, aber auch teuer sind, erlebt aktuell ein im Brauwesen längst etabliertes Verfahren einen Aufschwung in deutschen Weinbetrieben.
 
 
Traditionell leiteten Winzer Gärungen durch die Aktivität der im Lesegut bereits vorhandenen Hefen ein – heute gibt es solche Spontangärungen überwiegend im Premiumbereich. Das Gros erledigen industriell hergestellte Reinzuchthefen. Die erste Reinzuchthefe isolierte Christian Hansen 1883 für eine Bierbrauerei, in der Weinbereitung kam sie sieben Jahre später erstmals zum Einsatz. Ihren breiten Durchbruch in der Weinbranche erlebten Reinzuchthefen jedoch erst in den 1950er bis 1970er Jahren. Der überwiegende Teil kommerzieller Hefen ist heute als aktive Trockenhefe auf dem Markt erhältlich. Die Hefen werden nach industrieller Vermehrung getrocknet. Durch diesen Prozess sinkt jedoch die Vitalität der Zellen. Die rehydrierten Hefen geben Winzer üblicherweise direkt in den Most, was purer Stress für die Hefezellen ist. Hinzu kommt, dass Trockenhefen kostenintensiv sind: Auf seiner Website führt ein Kellereifachhandel insgesamt 120 Hefepräparate auf, deren Preise sich zwischen 13,30 Euro für eine klassische Weißwein-Hefe bis zu über 124 Euro für ein 0,5 kg Päckchen Spezialhefe bewegen. Eine praxisorientierte Ergänzung zur Nutzung von Aktivtrockenhefen stellt die gezielte Hefepropagation im Keller dar, ein Verfahren zur intensiven Hefevermehrung mittels steriler Luft oder Sauerstoff. Diese getaktete Dauerbelüftung hält die Hefe im Tank eines Bioreaktors ständig in der Vermehrungsphase, ohne dass sie zu gären beginnt. Dieses Verfahren ist im Brauwesen seit Langem etabliert. Außerhalb Deutschlands ist das Verfahren auch in der Weinbereitung gängig: Große Schaumweinproduzenten in der Champagne, in Katalonien oder Norditalien setzen es ein, ebenso wie Kellereien in den USA. In Australien gilt die Technik sogar als Standard und ist fester Bestandteil der Ausbildung. Für einen typischen Vermehrungsprozess füllen Kellermeister den Bioreaktor zunächst mit Wasser. Nachdem die Propagationstemperatur erreicht ist, geben sie Hefe und Nährstoff dazu. Unter kontinuierlicher Belüftung erfolgt die Hefevermehrung über einen Zeitraum von etwa 16 Stunden, wobei Zellkonzentrationen von ca. 300 bis 450 Mio. Zellen pro Milliliter erreicht werden. Anschließend wechselt das System in einen Akklimatisierungsmodus, bei dem es die Temperatur schrittweise auf das gewünschte Beimpfungsniveau absenkt – weiter unter kontinuierlicher Belüftung. Abhängig von der gewünschten Hefepopulation (meist 1 bis 2,5 Mio. Zellen pro Milliliter Most) kann man mit einem Bioreaktor relativ kleinen Nennvolumens beachtliche Mostmengen beimpfen. Die kleinsten Bioreaktoren haben ein Nennvolumen von 60 l, wobei man mit etwa 0,2 kg Hefe für eine Mostmenge von etwa 7.000 l hinkommt. Zum Vergleich: Bei Reinzuchthefen ohne Propagation und einem Standardeinsatz von 25 g/hl benötigt man für dieselbe Mostmenge 1,75 kg, also mehr als drei Hefepäckchen. Das WBI Freiburg führt seit zwei Jahren in Zusammenarbeit mit einer Erzeugergemeinschaft, zwei Winzergenossenschaften und rund einem Dutzend Weingütern umfangreiche Praxisversuche zur Hefepropagation durch. Die Rückmeldungen aus der Praxis waren durchweg positiv. Neben der Standardvermehrung von Hefen haben sie mit der Propagation auch mehrere Schaumweinansätze vorbereitet, einen Gärhänger behoben sowie zwei Ansätze für den biologischen Säureabbau hergestellt. Auch Spontangärungen haben sie damit erfolgreich zu Ende gebracht: Bei dieser Methode werden die Moste zunächst spontan angegoren, ehe sie Richtung Ende der Gärung noch mit Reinzuchthefen beimpft werden, um die Gärung sauber abzuschließen. Kein Wunder also, dass immer mehr Kellermeister in Deutschland auf Bioreaktoren setzen – vor allem wegen ihres Effizienz- und Einsparpotenzials. Bei der Standardpropagation von Reinzuchthefen konnte das WBITeam bei gleichbleibender Gärdauer die eingesetzte Hefemenge um das Acht- bis Zehnfache reduzieren. Trotz des Einsatzes des Nährstoffs amortisieren sich Bioreaktoren schnell. Je nach typischer Beimpfungsrate, Art und Umfang der Nutzung sowie der Häufigkeit der Anwendung kann sich eine größere Anlage mit einem Nennvolumen von 1.000 l – bei Anschaffungskosten von etwa 40.000 Euro – bereits innerhalb von zwölf bis 18 Monaten bezahlt machen. Bei kleineren Systemen mit 135 l Nennvolumen (rund 20.000 Euro Anschaffungskosten) liegt die Amortisationsdauer typischerweise bei etwa zweieinhalb bis drei Jahren. In größeren Betrieben mit regelmäßigem Einsatz sind jährliche Einsparungen sogar im hohen fünfstelligen Eurobereich realistisch.
 
Foto: WBI Freiburg
Quelle: „Praxisorientierte Ergänzung“ von
Dr. Ramón Heidinger und Fabio Fehrenbach
(DWM 16/17 2025, S.18-21)
 
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