29. Mai 2013
Im Gespräch: David Dearie, CEO Treasury Wine Estates
Es sind jetzt etwa zwei Jahre her,
dass die Inhaber der Fosters-Aktien entschieden haben, dass Sie eine eigenständige
Weintochter haben wollen. Was hat sich seither geändert?
Der fundamentale Unterschied bei
unserem Wandel von einem multinationalen, hauptsächlich bier-dominierten
Getränkeriesen ist, dass wir jetzt wirklich verstehen, was ein reines
Weinunternehmen ist und ausmacht. Die Investments, die wir jetzt machen, um
unsere Zukunft als Weinunternehmen zu sichern, wären unter der alten
Konstellation niemals getätigt worden. Mit Bier hat eine Firma einen
kurzfristigen Fokus. Wir haben im vergangenen Jahr rund 200 Mio. australische
Dollar in „non-current inventory“ investiert, wir haben jetzt fast 700 Mio.
Dollar davon in den Büchern stehen. Unter Foster’s wäre das niemals möglich gewesen,
die hätten das als Kosten und nicht als Sicherung für die Zukunft verstanden.
Auch unser Board ist 100% auf Wein konzentriert. Praktisch bedeutet das, dass
unsere Winemaker die Freiheit bekommen, wirklich Winemaker zu sein. Sie können kleine
Partien von Weinen machen, experimentieren und wenn es nicht klappt, dann ist
das auch okay, weil es zum Prozess eben dazu gehört, Einzellagen, neue
Rebsorten und neue Methoden zu testen. Wir
präsentieren in diesem Jahr Matua, eine
neuseeländische Marke, die viele Trophäen gewonnen hat. Das wäre nicht möglich,
wenn die Winemaker nicht so viel herumprobiert hätten.
Und so etwas wäre früher nicht
möglich gewesen?
Unmöglich. Wir sagen unseren
Investoren: Die Gewinne werden kommen, aber nicht sofort. Ich verbringe viel
Zeit damit, das potenziellen Investoren ausführlich zu erklären. Wenn sie
kurzfristig investieren wollen, dann sind wir vielleicht nicht die richtige
Firma dafür. Wenn sie hingegen eine Firma mit einer langfristig interessanten
Perspektive suchen, dann könnten wir die richtige Firma für sie sein. Wir sind
konstant unterversorgt am oberen Ende unseres Portfolios, wir bekommen dafür nicht
genug Wein. Jetzt arbeiten wir eben daran, diese Weine später produzieren zu
können und legen die Fundamente dafür, das Interesse an diesen Weinen hoch zu
halten.
Viele Leute halten TWE – trotz
Kalifornien und Italien im Portfolio – für eine rein australische Firma. Finden
Sie das okay oder wollen Sie das ändern?
Im Moment haben wir echte Expertise vor allem in Australien, Neuseeland,
Napa und Sonoma, mehr nicht. Wir haben unsere italienische Produktion und wir verstehen
immer besser, wie wir dort qualitativ gute Weine herstellen. Mit der Zeit
könnte es interessant sein, die eine oder andere zusätzliche Herkunft ins
Portfolio zu nehmen. Aber wir sind nicht verzweifelt dabei, ganz schnell ein
möglichst internationaler Player zu werden.
Diversifizierung bei den
Herkünften könnte aber bedeuten, weniger abhängig von Währungsschwankungen zu werden?
Das ist ein guter Einwand. Aber
wir haben bislang historisch nur wenig Wein aus Kalifornien in anderen Märkten
verkauft, jetzt haben wir die Exporte verdoppelt. Das hilft auch gegen
Währungsturbulenzen. Wir führen gerade erst einige der höherpreisigen Marken
wie Stags Leap aus Kalifornien, Wynns oder Pepper Jack aus Australien verstärkt
in internationale Märkte ein. Da haben
wir momentan noch genügend Spielraum.
Stichwort „internationale Märkte“
– wie wichtig schätzen Sie den asiatischen Markt ein? Und wie wichtig wird er
in drei oder fünf Jahren sein?
Asien ist ein aufregender und
dynamischer Markt. Vor etwa drei Jahren haben wir 10% unseres Gewinns in Asien
erwirtschaftet, jetzt dürften es etwa 20% sein. Wir verkaufen dabei nicht
einmal irrsinnige Mengen Wein - 1,2 Mio. Kisten von 33 Mio. Kisten weltweit. Meine
persönliche Vermutung ist: China ist innerhalb der kommenden zehn Jahre der
weltgrößte Konsument von Weinen. Beim Pro-Kopf-Verbrauch ist China gerade mal
bei 0,5l/Kopf angekommen, dagegen sieht selbst die USA schon sehr stark
entwickelt aus. Dies sind die beiden Wachstumsmärkte, die wir - wie viele andere auch – stärker anpeilen. Aber
die neuen Märkte in Asien sind deshalb so spannend, weil die Asiaten Weine geradezu
umarmen.
Sprechen wir über die Märkte in
„Old Europe“ etwa in Großbritannien und Deutschland. Ist das Geld in Asien viel
besser angelegt, lohnt sich eine starke Präsenz in Europa?
Europa ist zusammengenommen immer
noch der mit weitem Abstand größte Weinmarkt der Welt, ist daher von der Bedeutung
her nicht zu unterschätzen. Nach Wert ist der europäische Gesamtmarkt in den
vergangenen fünf oder zehn Jahren allerdings geschrumpft. Aber das wurde auch
von einer Over-Supply-Phase begleitet - das sind sicherlich glückliche Zeiten
für Verbraucher, die dann viel Qualität fürs Geld bekommen, aber das wird sich
auch wieder ändern. Einige Experten vermuten ja, dass die Nachfrage in Kürze größer
sein wird als das Angebot. Ich persönlich vermute, dass wir uns in einer
ausbalancierten Situation bewegen. Großbritannien und Deutschland haben auch
bei stagnierendem Gesamtszenario eine große Bedeutung für TWE. Wir machen hier nicht
mehr so viel Geld wie früher, der starke australische Dollar hat das erschwert,
aber für uns ist wichtig, die starken Marken gut sichtbar in diesen Schlüsselmärkten
zu positionieren. Wolf Blass, Rosemount, Lindemans, Beringer – die sind alle
sehr wichtig, denn manchmal vergisst man, dass Europa auch der wichtigste
Konsument von Fine Wine ist. Und beim Aufbau eines Fine-Wine-Verkaufsteams in
Großbritannien haben wir die Erfahrung gemacht, dass wir bei angesehen Händlern
wie Harrod’s, Selfridges oder Berry Brothers sehen, das wir einige Bereich
historisch vernachlässigt haben. Es geht eben nicht nur darum, große Mengen
durch Tesco, Sainsbury oder Asda zu schleusen. Wir müssen bei der Distribution ine bessere Balance finden, das
wird Priorität haben.
Gilt das auch für Deutschland?
Deutschland ist ein sehr harter
Markt, aber ehrlich gesagt habe ich noch keinen wirklich einfachen Markt
gefunden, um da ungestört Geschäfte zu machen (lacht).
Deutsche sind recht weinkundige Konsumenten. In Deutschland
wird es auch darum gehen, einige unserer Regional-Champions-Brands gut zu
positionieren, sehr gute Qualitäten anzubieten und Kunden für diese Weine zu
finden. Auf kleiner Basis, natürlich, aber bisher sind diese Marken, mit denen
wir viele interessante Geschichten über Australien transportieren können, zum Teil nicht einmal erhältlich gewesen. Das wird
sich in Zukunft ändern.
Gilt die knappe Verfügbarkeit
nicht nur für Penfolds Grange?
Nein, nein, das zieht sich durchs
ganze Portfolio. Beispiele sind auch die High-End-Napa oder Sonoma-Weine von
Beringer, damit können wir momentan noch nicht einmal den gesamten
amerikanischen Markt ausreichend beliefern. Bei Wynns (Coonawarra) haben wir
uns für Preiserhöhungen entschieden, um das Wachstum zu bremsen, damit wir mit
der Produktion soweit hinterherkommen, dass wir wenigstens ein bisschen
exportieren können. Es gibt noch weitere Weine, bei denen wir in Allokation
verkaufen müssen. Wir haben einige Penfolds Bins, die in einem Monat verkauft
sind. Es gibt natürlich größere Probleme, als per Allokation verkaufen zu
müssen, aber ich finde es trotzdem ärgerlich, von bestimmten Weinen nicht mehr
von verkaufen zu können.
Es klingt dennoch merkwürdig: In
Australien geben Farmer ihre Weinberge auf, die Hälfte der Weinproduktion
verlässt das Land als Bulkwine, es wird im größeren Stil gerodet, und TWE
bekommt das Sourcing nicht hin?
Es klingt merkwürdig, aber wir
tun wirklich viel dagegen und investieren. Zum einen in genaue Prüfung der
Flächen, die wir haben. Gehen wir noch
einmal auf Wynns in Coonawarra ein. TWE gehört physisch etwa 60% dessen, was nach
James Halliday die Coonawarra-Zigarre genannt wird, ein Streifen wirklich guten
Reblands. Das Terroir ist wirklich phantastisch für Cabernet und Shiraz, aber
wir hatten da zum Teil noch Chardonnay, Merlot und Riesling drauf stehen. Unser
„Project Uplift“ wird das ändern, aber
das dauert noch ein bisschen. Wir kaufen zudem Weinberge, wir schließen längere
Vertragslaufzeiten mit wirklich guten Traubenlieferanten. Die Leute machen
gerne Geschäfte mit TWE, weil wir zwar nicht immer die höchsten Preise bezahlen,
aber fair handeln und unsere Rechnungen pünktlich bezahlen.
Und was passiert in Tasmanien?
In Tasmanien gehört uns leider
gar nichts, da würden wir gerne kaufen. Wir sind begeistert von Tasmanien,
haben einige tasmanische Marken, würden da gerne Fuß fassen. Aber solange wir
kein finanziell sinnvolles Ziel finden, kaufen wir dort über langfristige
Traubenkontrakte ein. Das gilt auch für Margaret River, wo wir etwas Land
besitzen, aber gerne mehr aufbauen würden.
Sind die Investoren so sehr von der
Strategie überzeugt, dass TWE solche Investitionen tätigen kann?
Ich denke schon, denn wir können
mit Evidenz dafür werben, dass die Grundannahmen stimmen. Wir haben älter
werdende Bevölkerungsschichten in einigen Schlüsselmärkten. Und Demographie-Statistiken
legen nahe, dass je älter Menschen werden, desto wichtiger wird die Rolle, die
Wein in ihrem Leben spielt. Bei Menschen mit höherem durchschnittlichen
Einkommen wird Qualität wichtiger als die Menge des konsumierten Weins. Die
Demographie arbeitet für uns. Trading up ist bei vielen Kategorien ein Thema: bei Spirituosen, bei Craft Beer und
auch bei Wein. Wenn sie dann noch „Emerging Markets“ mit einbeziehen, wo
jüngere Prestige suchende Kunden sich dem Wein als dem (gegenüber Spirituosen)
gesünderen Konsum zuwenden, dann verstehen Sie, weshalb wir so viel Wert auf
zukunftssichernde Investitionen legen.
Symptomatisch ist: Wir mussten bereits
im Oktober 2012 erklären, dass wir ein sehr hartes Jahr haben werden. Im
Geschäftsjahr 2013 sind dann zahlreiche 2011er Weine dabei, bei denen wir wegen
der vielen erntebedingten Qualitätsprobleme viel weniger haben als geplant. Wir
müssen dann im Februar verkünden, dass wir hinter den Vorjahreszahlen
hinterherhinken, aber mit der Qualität ganz zufrieden sind. Und die
Marktreaktion war positiv. Die Analysten sagen uns, dass Sie es schätzen, dass
wir Ihnen gesagt haben, was passieren wird. Die Analysten sagen uns, dass sie sogar
froh sind, dass wir unsere langfristigen Strategieziele nicht für eine
Halbjahreszahl geopfert haben.
Aber warum hören wir dann immer
wieder Spekulationen darüber, dass TWE von asiatischen Investoren aufgekauft
werden wird?
Diese Spekulationen werden wir
nicht verhindern können. Das hängt auch mit der Größe der Firma zusammen, wir
sind nicht klein, aber eben auch nicht zu groß. Das hängt mit den tollen Marken
zusammen, von denen einige vielleicht noch etwas unterbewertet sein dürften. Aber
ehrlich gesagt konzentrieren wir uns auf unseren Job. Die einzigen, mit denen
wir momentan sprechen, sind unsere Traubenlieferanten, unsere Handelspartner
und Kunden.