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17. Oktober 2013

Zwiespältige Zwischenbilanz in Württemberg

Mal Sonne, mal Wolken und immer wieder Regen: Württemberger Weingärtner erleben in diesem Herbst ein Wechselbad der Gefühle. „Normalerweise stellen wir bei diesem Wetter ein Schild mit ,Heute keine Traubenannahme’ raus“, erklärt etwa der Chef der Lauffener Weingärtner Ulrich Maile, „aber diesen Herbst können wir uns das nicht leisten, sonst werden wir nie fertig.“ Die Traubenlese in Württemberg nähert sich dem Scheitelpunkt. Am Dienstag (15. Oktober) zog der baden-württembergische Genossenschaftsverband (BWGV) in Lauffen eine zwiespältige Zwischenbilanz. Die Voraussetzungen für gute Qualitäten seien gut. Doch bei der Menge müssten Abstriche gemacht werden. Allgemein werde mit zehn bis 20 % weniger Wein als im Vorjahr gerechnet. So dürfte die Ausbeute der 43 Genossenschaften, die 71 % der Württemberger Gesamtrebfläche abdecken, bei 67 Mio. bis 75 Mio. l liegen. Hochgerechnet auf ganz Württemberg (11.300 Hektar) hieße das: maximal 100 Mio. l 2013er. Der Mengenrückgang hat viele Gründe: zunächst bildeten sich nach der späten und verregneten Blüte Ende Juni nicht alle Beeren aus. Im heißen August waren in flachgründigen Lagen Trockenschäden zu beobachten. Mancherorts, wie etwa im Bottwartal sowie am Albtrauf, hagelte es gewaltig. Nicht zuletzt beginnen bei feuchter – und voraussichtlich bald wärmerer – Witterung dünnhäutige Trauben zu faulen. Die Mostgewichte haben zuletzt wegen Schlechtwetters nur beim Riesling zugelegt. Die anderen Rebsorten stagnieren auf hohem Niveau. Dass die Trauben wegen der späten Blüte erst im Oktober ausreifen, wertet Maile als Vorteil. Denn durch die kühle Witterung würden sich die Aromen besser und sortentypischer als in heißen Jahren ausbilden. „Der 2013er schenkt uns frische, fruchtige und spritzige Tropfen.“ Die BWGV-Spitze mit Präsident Roman Glaser sowie WZG-Chef Dieter Weidmann und Weinwerbechef Ulrich Breutner blickten auch auf die aktuelle Marktsituation. Drei kleinen Jahrgängen in Folge (2009 bis 2011) folgte 2012 wieder eine normale Ernte (83,2 Mio. l). Somit seien die WGs bei Weißwein seit Frühjahr wieder lieferfähig. Der Gesamtabsatz erhöhte sich im ersten Halbjahr 2013 dementsprechend leicht um 0,3 Mio. l (plus 1%) auf 33,1 Mio. l. Die Lagerbestände seien aber nach wie vor gering. Die Umsätze hätten sich im ersten Halbjahr 2013 leicht um 0,5% auf 99,8 Mio. Euro verringert. Im Kalenderjahr 2012 hätten die 43 WG rund 67,6 Mio. l Wein und Sekt im Wert von 214 Mio. Euro abgesetzt. Gegenüber dem Vorjahr wurden rund 6,6% in der Menge und 2,4% im Wert weniger vermarktet. Der Absatzrückgang sei den niedrigen Ernten 2009, 2010 sowie dem Frostjahrgang 2011 geschuldet gewesen.
 
Seit Jahren ist die Zahl der Erzeuger in Württemberg rückläufig – von 16.195 im Jahr 2000 auf 11.227 Erzeuger zum Jahresende 2012. Insbesondere kleine Nebenerwerbsbetriebe geben vermehrt auf, während die Zahl der Betriebe über fünf Hektar kontinuierlich zunimmt – von 389 im Jahr 2000 auf 636 zum Jahresende 2012. „Die Veränderungen bei den einzelnen Betrieben wirken sich naturgemäß direkt auf unsere Weingärtnergenossenschaften aus“, berichtet BWGV-Präsident Glaser. In Württemberg gibt es aktuell 43 Weingärtnergenossenschaften, darunter 18 mit eigener Kellerwirtschaft. Vor vier Jahren waren es noch 62 Genossenschaften. Das Fusionstempo hat sich in Württemberg allerdings merklich verlangsamt. Im zurückliegenden Jahr gab es nur eine Fusion: Zum 1. Januar 2013 ist die Weingärtnergenossenschaft Unterheinriet eG (WG ohne Kellerwirtschaft mit Verkauf) mit der Genossenschaftskellerei Heilbronn-Erlenbach-Weinsberg eG (WG mit eigener Kellerwirtschaft) verschmolzen. Die Weingärtnergenossenschaft Ensingen löst sich auf, ihre Rebflächen gehen im Wesentlichen zur Weingärtner Stromberg-Zabergäu eG, Brackenheim.  
 
BWGV wird „strategischer Partner“ seiner Mitglieder
Der Baden-Württembergische Genossenschaftsverband intensiviert vor dem Hintergrund des steigenden Wettbewerbs und der strukturellen Entwicklungen in der Branche sein Engagement in der Beratung. So entwickelt sich der Verband mehr und mehr zum „strategischen Partner“ seiner Mitgliedsgenossenschaften. „Eine Weingärtnergenossenschaft hat in ihrer Zukunftsgestaltung immer drei Optionen“, betont BWGV-Präsident Glaser. „Neben Fusionen sind dies Kooperationen sowie zukunftsorientierte strategische Neuausrichtungen in Eigenregie.“ Bei allen drei möglichen Prozessen will der BWGV intensiv unterstützen. Ein weiteres wichtiges Instrument, das der Verband seinen Mitgliedern anbietet, ist ein neues Qualifizierungskonzept für ehrenamtliche Vorstände und Aufsichtsratsmitglieder von Weingärtnergenossenschaften. „Nur wer optimal qualifiziert ist, kann seine WG auch in eine gute Zukunft führen. Dabei wollen und werden wir helfen“, verspricht Glaser.  
 
Glaser: Genossenschaft bleibt ein Zukunftsmodell
Der Anteil der genossenschaftlichen Rebflächen in Württemberg beträgt aktuell knapp 71 Prozent. „Wichtig ist, dass im langfristigen Interesse der Weingärtnerinnen und Weingärtner möglichst viele Rebflächen in genossenschaftlicher Hand gehalten werden können. Wir müssen unsere Rohstoffbasis erhalten“, fordert Glaser. „Dafür wollen wir uns einsetzen und unsere Mitglieder in ihrer Fortentwicklung noch intensiver als bisher unterstützen“, kündigt der Präsident an. Diesem Ziel dient unter anderem das Engagement von Dr. Ansgar Horsthemke als Generalbevollmächtigter und Bereichsleiter Beratung der Waren- und Dienstleistungsgenossenschaften. Der ausgewiesene Weinbauexperte war zuvor Geschäftsführer der WG Jechtingen-Amoltern in Südbaden und unterstützt gemeinsam mit seinem Team seit Mai 2013 die strategische Weiterentwicklung der baden-württembergischen Weingärtner- und Winzergenossenschaften. „Die Rechtsform der eingetragenen Genossenschaft ist und bleibt ein Zukunftsmodell – ganz besonders im baden-württembergischen Weinbau“, betonen der BWGV-Präsident und Horsthemke einvernehmlich.