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11. November 2021

Reh Kendermann bilanziert Riesenzuwachs

Die Reh Kendermann Weinkellerei GmbH, Bingen, profitiert von der Weichenstellung früherer Jahre, setzt ihre „recht gute“ Geschäftsentwicklung fort und erwirtschaftete im abgelaufenen Geschäftsjahr 2020/21 (1. Juli 2020 bis 30. Juni 2021) einen Gruppenumsatz von 95 Mio. Euro. Dies bedeutet einen (nicht ganz alltäglichen) Umsatzzuwachs von 17 % gegenüber dem Vorjahr. Den Absatz bezifferte Geschäftsführer Alexander Rittlinger auf Nachfrage auf umgerechnet etwa 59 Mio. Flaschen (43,5 Mio. l). Dies ordnete Rittlinger in dem frisch in Betrieb genommenen Tanklager des Unternehmens in Bingen aber betont sachlich ein. Dort hat Reh Kendermann rund 10 Mio. Euro in die derzeit (nach eigenen Angaben) modernste Tankhalle in Deutschland investiert (Kapazität: 5,5 Mio. l). „Vor einem Jahr hatte ich gesagt, wir würden aufgrund von Covid-19 ein besonderes Geschäftsjahr erleben“, erinnert sich Rittlinger, „das Geschäftsjahr 2020/21 aber hat das noch einmal getoppt.“ Lockdown über Monate hinweg, reduzierte Begegnungen, Homeoffice und viele andere Einschränkungen zur Eindämmung der Virusausbreitung haben das gesellschaftliche und wirtschaftliche Leben bekanntlich erheblich beeinflusst. Die Auswirkungen der Coronakrise führten bekanntlich aber auch dazu, dass sich die Verbraucher verstärkt im LEH eingedeckt haben. Im Ergebnis steht erstmals in der Geschichte des Unternehmens das Deutschland-Geschäft als stärkstes Unternehmensstandbein, das die Exportsparte übertrumpfte. „Die Herausforderungen für unser Unternehmen und unsere Mitarbeiter, die unsere strengen Hygieneauflagen und Sicherheitskonzepte vorbildlich umgesetzt haben, waren enorm“, so Alexander Rittlinger. Als „sehr erfreulich“ bewertet er, dass deutscher Wein national und international wieder deutlich an Beliebtheit zugenommen habe.
 
Aber auch die als Beitrag zur besseren Risikostreuung gedachten Beteiligungen an internationalen Tochtergesellschaften entfalteten im abgelaufenen Geschäftsjahr bereits Wirkung: Yapp Brothers aus England und North South Wines (NSW) setzten ihren positiven Kurs fort. Die Gastronomie habe sich zwar auch in Großbritannien rückläufig entwickelt, aber der Online-Handel habe dies mehr als kompensieren können. „In den vergangenen Jahren war es durchaus sehr herausfordernd, diesen Markt für uns weiterzuentwickeln. Umso mehr freuen wir uns, dass es uns gelungen ist, unsere Präsenz am britischen Markt zu stärken und sogar eine tiefere Distribution zu erreichen“, erläutert Alexander Rittlinger. Mit „sehr gut“ bewertet der Geschäftsführer auch die Entwicklung des rumänischen Weinguts Crama Oprisor von Reh Kendermann. Stark beeinträchtigt durch eine fast zweimonatige Schließung der Häfen in Südafrika wurde dagegen das Geschäft des eigenen südafrikanischen Weinguts Napier. Dennoch gelang es auch dort, deutliche Umsatzzuwächse zu erzielen und das Geschäftsjahr ausgeglichen abzuschließen. Daher habe Reh Kendermann jüngst 40 ha Anbaufläche verkauft, um Neuanpflanzungen und technische Investitionen in Wellington vorzunehmen. „Unsere Premium- und Terroirkonzepte, die wir für unsere Kunden im In- und Ausland umsetzen, entwickeln sich durchweg sehr gut“, hebt Rittlinger hervor. „Der bereits vorhandene Trend zu Premium hat sich während der Pandemie verstärkt. Wir gehen fest davon aus, dass die Nachfrage hier weiter steigt.“ Nach wie vor exportiert Reh Kendermann in 39 Länder. Deutlich erholen konnte sich das Asien-Geschäft, das zu Beginn der Pandemie fast vollständig zum Erliegen gekommen war. Auch in den USA und Kanada legte Reh Kendermann wieder zu. In Skandinavien und im Baltikum war die Entwicklung ebenfalls positiv. Lediglich in Schweden waren leichte Verluste (aufgrund einer ad acta gelegten Weinlinie) zu verzeichnen, die Verkaufszahlen in Dänemark, Norwegen, Finnland und Estland legten aber erheblich zu. Die wichtigste Marke und der Exportschlager im Portfolio der Binger Kellerei, Black Tower, liegt mit 13 Mio. Flaschen Absatz unangefochten auf Platz eins der deutschen Weinmarken im Ausland. Motor hierfür war aus Sicht von Alexander Rittlinger der optische Relaunch der Marke, der den Look des Produkts weniger „mittelalterlich“, aber dafür „leichter, etwas weiblicher und zugänglicher“ gemacht habe. Bereits in der zweiten Hälfte des Geschäftsjahres 2019/20 habe sich abgezeichnet, wie positiv die Verbraucher auf das neue Outfit und die moderne Werbekampagne (mit viel Präsenz in Social-Media-Kanälen) reagierten. Das habe sich 2020/2021 weiter verstärkt. „Wir konnten neue Zielgruppen für Black Tower gewinnen.“ Für das erste Quartal 2022 planen die Binger die Einführung einer neuen Premium-Linie von Black Tower. Ebenfalls „sehr zufrieden“ ist Rittlinger mit der Entwicklung der Weinschorle Strandgut. Sie konnte wiederholt kräftig zulegen. Der Absatz der rumänischen Weinmarke Val Duna aus dem eigenen Weingut in Oprisor blieb stabil, lag aber unter den Erwartungen. Leichte Verluste musste lediglich die italienische Wein- und Prosecco-Marke Canti, die Reh Kendermann auf dem deutschen Markt vertreibt, hinnehmen. Nicht mehr im Vertriebsportfolio führt die Kellerei die Marke Espiritu de Chile. „Chilenische Weine hatten es ebenso wie andere Überseeweine in den letzten Jahren schwer. Trotz Relaunch und intensiver Markenpflege ist es nicht ausreichend gelungen, die Verbraucher zu überzeugen.“ Die ebenfalls als Übersee-Marke nicht mit Rückenwind gesegnete australische Marke Lindeman’s blieb absatzmäßig stabil.
„Wir haben Nachhaltigkeit und Innovation als unsere Kernthemen identifiziert und sie stark vorangetrieben“, betont Alexander Rittlinger. So hat die Kellerei sowohl neue Produkte mit dem Fokus auf Nachhaltigkeit auf den Markt gebracht als auch an innovativen Verpackungen und Materialien gearbeitet. Im Frühsommer 2021 nahm Reh Kendermann eine neue Anlage in Betrieb, die 1,5-l-Pouches füllen kann, außerdem werde in Kürze eine Füllanlage für Bag-in-Box in Betrieb genommen. Die unter dem Aspekt Transportgewicht vorbildliche Gebindeform ist in Ländern wie Großbritannien und Skandinavien sehr beliebt. In Deutschland ist die Haltung bisher skeptischer. „Ich bin überzeugt, diese Einstellung wird sich ändern, denn die Vorteile von Pouches gegenüber Glasflaschen sind enorm.“ Pouches sind leicht, unzerbrechlich, gut transportabel und flexibel sowie platzsparend in der Lagerung. Berechnungen zufolge ist der ökologische Fußabdruck aufgrund des Fliegengewichts von nur 35 Gramm bei einer Füllung mit 1,5 l Wein sogar um 80 % geringer als der von Wein in der Flasche. Viele Verbraucherinnen und Verbraucher wünschen sich laut Rittlinger nicht nur irgendwelche Bioweine, sondern nachhaltige Alternativen. Deshalb habe die Kellerei im Frühjahr 2021 mit Rewe den ersten „PiWi“ Cabernet Blanc ins Regal des Handelsunternehmens gebracht. Dieser Wein habe sich überraschend schnell durchgesetzt. Der Abverkauf in den ersten Monaten stimme die Partner sehr zuversichtlich. Derzeit erwartet Reh Kendermann darüber hinaus den Abschluss der lange vorangetriebenen Fairtrade-Zertifzierung des südafrikanischen Weinguts Napier. „Es war uns wichtig zu dokumentieren, dass Weine von Napier fair und nachhaltig produziert werden, und der Verbraucher sich auf die hohe Qualität und die Erzeugungsbedingungen verlassen kann“, hebt Alexander Rittlinger hervor. Den Weg, mit Innovationen Nachhaltigkeit voranzutreiben, geht Reh Kendermann auch mit einem ganz anderen Getränkekonzept. Mit „Good Grapes“ stellte das Unternehmen auf der diesjährigen Anuga ein neues Getränkekonzept vor, das dem Gedanken „too good to waste“ folgt. Der gepresste Saft nicht ganz reifer, grüner Trauben (= Verjus), die zur Ertragsreduzierung vorab geerntet wurden, bildet die Grundlage für die Neuheit. Good Grapes ist alkoholfrei und wird ohne Zusatz von Aromen und Zucker produziert. Das Getränk kommt in der praktischen 275 ml „on the go“-Flasche im 12er-Karton in den Handel (UVP: ca. 1,29 Euro/Kleinflasche). Deutlich vorangetrieben hat Reh Kendermann im abgelaufenen Geschäftsjahr zudem die Digitalisierung und die Optimierung der eigenen Betriebsabläufe. Das extrem leistungsfähige neue Tanklager ist bei der Energieaufnahme schon vor der Inbetriebnahme der geplanten Solaranlagen bedeutend effizienter (mehr als 20 % effizienter) als das bisherige. Das Ziel ist ambitioniert: „Wir wollen Vorreiter in der Branche sein, von der Produktentwicklung bis hin zur Lieferung ins Regal“, so der Geschäftsführer. „Deshalb haben wir alle unsere Prozesse intensiv durchleuchtet und teilweise neu organisiert.“ Effizienzsteigerung sei ein wichtiger Baustein zur Zukunftssicherung. „Wir sind schließlich konfrontiert mit stetig steigenden Kosten beispielsweise im Einkauf, und der Handel zeigt nicht immer Bereitschaft, dieser Situation gerecht zu werden und die Verkaufspreise entsprechend zu erhöhen.“ -ja-