04. Februar 2011
Was ist das eigentlich ... Bâtonnage?
Was ist eigentlich Bâtonnage? Wer französisch spricht, aber von Wein nichts versteht, könnte bei dem Begriff an eine eigenwillige zwischenmenschliche Praktik denken. Tatsächlich hieß im holländisch beherrschten Indonesien des 18. Jahrhunderts eine Prügelstrafe auf Fußsohlen und Rücken „Bastonnade“. Aber auf dieser Seite geht es nur um die önologische Praxis des Hefeaufrührens.
Versuchen wir es also mit dem Wörterbuch: „Le bâton“ ist französisch der Stock. „Bâtonner“ heißt so viel wie windelweich prügeln. Der önologische Begriff Bâtonnage beschreibt das regelmäßige Aufrühren der Weinhefe (ganz überwiegend bei Weißwein), die sich nach der Gärung am Boden des Fasses oder des Tanks abgesetzt hat. Dazu wurden früher einfache Stöcke benutzt. Heute gibt es dafür speziell entwickelte oder von den Winzern selbst gebaute Werkzeuge. Aber wozu soll es gut sein, die zu Boden gesunkenen Hefezellen der postfermentativen Phase, also nach Abschluss der alkoholischen Gärung, immer wieder aufzurühren? Unter den Önologen und Kellermeistern in Deutschland gibt es nicht wenige, die der Meinung sind, ein Weißwein sollte nach beendeter Gärung möglichst rasch (in jedem Falle vor Weihnachten) abgestochen, filtriert und geschwefelt werden, um ihn „stabil“ zu machen und Weinkrankheiten zu vermeiden. Vor allem in Frankreich wurde aber schon früh entdeckt, dass Weißweine mittels Bâtonnage mehr Fülle, Cremigkeit, Mundgefühl und Lagerfähigkeit bekommen können. In den vergangenen beiden Jahrzehnten hat sich die Technik der Bâtonnage weltweit bei den meisten Spitzenerzeugern durchgesetzt. Dahinter steckt die wissenschaftliche Erkenntnis, dass die Hefen, also die einzelligen Pilze mit Namen Saccharomyces (wörtlich übersetzt: Zuckerpilz), wesentlich mehr können, als nur Traubenzucker (Glucose) in Alkohol (Ethanol) und CO2 umzuwandeln. Selbst wenn kein Zucker mehr im Wein ist, hört der Stoffwechsel der Hefen nicht auf. Sie behalten weiter eine starke reduktive Wirkung, schützen also vor negativem Sauerstoffeinfluss und wirken somit wie eine kräftige Schwefelgabe. Ungeschwefelte Weißweine werden nicht braun, solange sie auf der Hefe liegen. Die Praxis zeigt: Werden Jungweine ungeschwefelt filtriert, also vom Hefedepot befreit, tritt recht rasch eine Bräunung ein. Die Hefezellen setzen außerdem Aminosäuren, Fettsäuren und vor allem Eiweiße (Mannoproteine) frei, die das oben angesprochene Mundgefühl von Komplexität, Cremigkeit und Fülle bewirken. Mannoproteine wirken stabilisierend und harmonisierend auf Tannine und hemmen die Bildung von Weinsteinkristallen. Durch sie gewinnen die Weine an Dichte, harte Eigenschaften und die Alkoholwahrnehmung werden reduziert. Der biologische Säureabbau (BSA oder Malolaktische Gärung) wird unterstützt. Das während der Gärung entstandene Acetaldehyd (ein Stoff, der besonders für den hohen Schwefelbedarf eines Weins verantwortlich ist und eine „Sherrynote“ verursachen kann) wird wieder abgebaut. Dadurch kann auf eine frühe Schwefelung (SO2- Zugabe) des Weins völlig verzichtet werden. Eine Schwefelung braucht also nur zu erfolgen, wenn ein biologischer Säureabbau unerwünscht ist, vor allem bei pH-Werten über 3,4 (siehe WEIN+MARKT 5/2010). Der Trick an der Sache: Diese Effekte bringen nur Hefezellen, die sich im Wein in der Schwebe befinden. Ein fest abgesetztes Hefedepot hat diese Wirkung nicht. Daher gehen die Kellermeister zwei- bis dreimal pro Woche mit dem „Rührlöffel“ durch den Keller und versuchen vorsichtig, die Feinhefe in den Fässern und Tanks in der Schwebe zu halten. Wer dabei allerdings zu forsch ans Werk geht, kann eine feuchte Überraschung erleben: Jungweine in diesem Stadium enthalten noch sehr viel CO2, das bei zu starkem Rühren explosionsartig freigesetzt werden und ein Fass schon mal kräftig zum Überschäumen bringen kann. Die Sache hat noch einen weiteren Haken: Hefezellen, die abgestorben sind und sich in Auflösung (Autolyse) befinden, können einen unangenehmen Hefeton bis hin zum Schwefelwasserstoffböckser (Geruch nach faulen Eiern) hervorrufen. Die Technik ist also mikrobiologisch nicht völlig ungefährlich. Deshalb dürfen nur völlig gesunde Trauben verwendet werden, und die Moste müssen vor der Gärung scharf geklärt, also weitgehend von Trubstoffen befreit werden. Weine, die über Monate auf der Hefe gelagert werden sollen, müssen außerdem vollständig durchgegoren sein, da sonst ihm Rahmen eines unkontrollierten biologischen Säureabbaus flüchtige Säuren entstehen können. In jedem Falle müssen sie gut überwacht werden, um Fehlentwicklungen zu vermeiden. Nach Ansicht vieler deutscher Önologen eignen sich die Burgundersorten (auch Spätburgunder und Schwarzriesling) sowie der Silvaner besonders gut für die Verfeinerung mittels Bâtonnage. Klaus Herrmann
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