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05. März 2011

Was ist das eigentlich ... Doppelsalzentsäuerung?

Den Jahrgang 2010 werden die Winzer in Deutschland, aber auch in Frankreich, Österreich oder Ungarn nicht so schnell vergessen. Von vielen klimatisch vorteilhaften Jahren verwöhnt, hatten sie fast schon vergessen, wie schwierig es in Jahren mit kühler Witterung sein kann, harmonische Weine aus Trauben mit sehr hohen Säuregehalten zu erzeugen. Auch die Technik der Doppelsalzentsäuerung war schon fast in Vergessenheit geraten. 
 
Unsere Schwesterzeitschrift „das deutsche weinmagazin“ berichtet in der Ausgabe vom 12. Februar 2011, dass sogar Betriebsleiter mit über 40 Jahren Berufserfahrung noch keinen „so differenzierten und anspruchsvollen Jahrgang wie den 2010er eingelagert haben“. Die vielen Niederschläge im Herbst und das rasche Fortschreiten der Fäulnis zwangen die Winzer, die Lese frühzeitig zu beginnen. Geerntet wurden deshalb viele Trauben, die noch keine optimale Reife erreicht hatten. Das bedeutet: Es wurden Trauben ausgepresst mit Säurewerten von 16 bis 18 g/l oder darüber. Wer nun weiß, dass ein harmonischer Weißwein bei der Abfüllung einen Säuregehalt zwischen 6 und 8 g/l hat (ein entsprechender Rotwein sogar noch deutlich weniger), der kann sich vorstellen, wie groß die Herausforderung für die Kellermeister war. Die „Gesamtsäure“ im Wein, also die Summe aller organischen Säuren, setzt sich größtenteils aus Weinsäure und Äpfelsäure zusammen. Das Verhältnis dieser beiden Fruchtsäuren schwankt je nach Jahrgang deutlich. Mit zunehmender Reife der Trauben nimmt der Gesamtsäuregehalt ab, und das Verhältnis zwischen Äpfel- und Weinsäure verschiebt sich zugunsten der Weinsäure. Reife Trauben haben also anteilig mehr Weinsäure als Äpfelsäure. Falls in einem normalen oder guten Jahr die Gesamtsäure im Wein nach der Gärung geschmacklich dennoch ein bisschen zu hoch sein sollte, kann sie relativ leicht durch das Entfernen von etwas Weinsäure mithilfe einfachen Kalks (Kalziumkarbonat = kohlensaurer Kalk) korrigiert werden. Der Kalk wird dazu in den Wein gerührt und es entsteht unlöslicher Weinstein, wie wir ihn alle kennen – wissenschaftlich Kalziumtartrat oder „Salz der Weinsäure“ genannt (neutralisierte Säuren nennt der Chemiker Salze). Der unlösliche Weinstein wird anschließend aus dem Wein entfernt. Neben dieser chemischen Methode, den Säuregehalt zu vermindern, gibt es noch die andere, sehr bekannte Methode des biologischen Säureabbaus (auch BSA oder malolaktische Gärung genannt). Dabei wird mit Hilfe von Milchsäurebakterien gezielt die Äpfelsäure vermindert. Ist der Gehalt an Säuren aber so hoch, dass der Wein selbst durch die theoretische komplette Wegnahme der Weinsäure noch zu sauer schmecken würde, muss zusätzlich Äpfelsäure entfernt werden. In diesem Fall greift die biologische Variante meistens nicht, da bei sehr hohen Säurewerten der pH-Wert des Weins für den Einsatz von Bakterien zu niedrig ist. Die Äpfelsäure mit Kalk zu entfernen, ist aber nicht so einfach zu bewerkstelligen, da dieser erst dann die Äpfelsäure entfernt, wenn schon keine Weinsäure mehr da ist. Und Wein ohne Weinsäure will niemand haben. Also, was tun? Die Lösung heißt Doppelsalzentsäuerung. Ihren Namen hat diese Technik von der Entstehung zweier unlöslicher Salze. Kalziumtartrat (siehe oben) und Kalziummalat, das „Salz der Äpfelsäure“ (von lat. malus, der Apfel). Dazu entnimmt man einen Teil des betroffenen Weins aus dem Tank oder Fass. Das können 30%, 40% oder mehr der Gesamtmenge sein. Dieser Teilmenge wird nun die komplette Weinsäure und eine adäquate Menge Äpfelsäure entnommen. Die Sache hat aber einen kleinen Haken: Es lässt sich auch mit dieser Methode nie mehr Äpfelsäure entfernen, als Weinsäure vorhanden ist. Überwiegt also die Äpfelsäure (und bei unreifen Trauben ist das meistens so), bleibt ein Rest übrig. Aber auch dafür gibt es einen Trick: Vor der Zugabe des Kalks wird Weinsäure zugegeben, bis der Gehalt der Äpfelsäure erreicht ist. Anschließend wird diese Teilmenge vollständig entsäuert und der Restmenge im Tank wieder zugegeben. Diese Methode wird „erweiterte Doppelsalzentsäuerung“ genannt. Für die Berechnung der benötigten Mengen Wein und Kalk gibt es komplizierte Formeln und Tabellen. Soll beispielsweise ein Wein von einem Gesamtsäuregehalt von 14 g/l (oft auch als 14 ‰ oder 14 Promille bezeichnet) auf einen Wert von 8 g/l entsäuert werden, müssen 484 l Wein aus einem Tank von 1.000 l entnommen und „doppelsalzentsäuert“ werden. Der große Haken an der Sache: Kein Außenstehender würde auf die Idee kommen, diese Technik als schonende Weinbereitung zu bezeichnen. Die nächsten Monate werden also zeigen, wo der 2010er Jahrgang im Vergleich zu den Jahren der vergangenen Dekade seinen Platz finden wird. Klaus Herrmann
 
 
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