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01. Oktober 2010

Was ist das eigentlich ... Juiceliner?

Was ist das eigentlich – Juiceliner? Wir alle haben von den Problemen des Flugzeugherstellers Boeing gehört, seinen „Dreamliner“ rechtzeitig auszuliefern. Zwischenzeitlich wurde den Winzern schon mal der „Juiceliner“ beschert, eine Kombination aus Traubenvollernter und -presse.
Als in den frühen 1980er Jahren die ersten Traubenvollerntemaschinen durch deutsche Weinberge fuhren, war dies noch eine Sensation. Heute ließe sich eine normale Ernte mangels Hilfskräften ohne diese monströsen Fahrzeuge gar nicht mehr einbringen. Die Arbeitsqualität dieser Maschinen hat sich seither zwar extrem verbessert, aber noch immer müssen die abgeernteten Trauben und Beeren anschließend gepresst werden. Jetzt gibt es eine noch größere Maschine, die nicht nur die Lesehelfer im Weinberg, sondern auch die Weinpresse im Keller überflüssig machen soll: den „Juiceliner“. Seit mehreren Jahren arbeitet die Firma ERO aus Niederkumbd bei Simmern im Hunsrück an der Entwicklung einer Maschine, die die Trauben nicht nur erntet, sondern gleich zu Saft verarbeitet. Möglich wird das durch eine integrierte Abbeermaschine (die die Stielgerüste abtrennt) und einen so genannten Decanter. Mit ihm kann man feste Bestandteile von flüssigen Stoffen trennen. Ein Decanter ist eine horizontal, also waagerecht gebaute, so genannte „Schneckenzentrifuge“. Der Name bedeutet nicht, dass diese „Traubenschleuder“ sich im Schneckentempo dreht, sondern dass sich in ihrem Inneren eine Förderschnecke befindet, die die festen Stoffe, also im Falle der Trauben die Beerenhäute, Kerne und Teile des Stielgerüsts, nach draußen befördert. Im Decanter befindet sich außerdem eine horizontal angeordnete rotierende Trommel, in der alle festen Stoffe durch die hohe Drehzahl nach außen an die Trommelwand geschleudert und dort von der Schnecke nach draußen befördert werden. Der Traubenmost fließt in entgegengesetzter Richtung in einen Tank ab. Für echte Technik-Freaks liegt der Vorteil auf der Hand: Der Winzer spart die Investition für eine Presse, die nur drei Wochen im Jahr gebraucht wird und zwischen 40.000 und 80.000 Euro kosten kann. Außerdem lässt sich mit dem Juiceliner sehr viel Zeit sparen, denn der konventionelle Pressvorgang dauert sonst rund zwei Stunden. Der Juiceliner produziert kontinuierlich Saft, der direkt in einen nebenherfahrenden Tankwagen gepumpt wird. Dadurch wird einer der wichtigsten Begrenzungsfaktoren für rasche Arbeitsabläufe während der Weinernte eliminiert. Qualifiziertes Personal wird so für andere wichtige Arbeiten freigesetzt. Gleichzeitig verschwindet mit der Weinpresse eine nicht unerhebliche Lärmquelle. Kleines Problem dabei: Der Juiceliner eignet sich nur für die Weißweinernte. Für Rotweine wird nach wie vor eine Presse gebraucht. Und der Anschaffungspreis des Juiceliners dürfte mit mehr als 350.000 Euro so manchen Winzer ins Grübeln bringen. Verschiedene Lohnunternehmen, die heute Traubenerntemaschinen im Einsatz haben, werden sich aber für das 4 Meter hohe und 11 Tonnen schwere Monster interessieren. Nach Angaben des Herstellers schafft der Juiceliner allerdings nur 10% Steigung. Und sein Einsatz lohnt sich erst ab einer Fläche von 1 ha am Stück. Spitzenwinzer und Familienweingüter dürften nicht nur deshalb vom Einsatz des Juiceliners Abstand nehmen. Reine Fassweinerzeuger hingegen werden sich sicherlich über die deutlich erhöhte Schlagkraft bei der Ernte freuen.
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