05. November 2009

Was ist das eigentlich... Säuerung?

Die deutschen Behörden haben nach 2003 in diesem Jahr zum zweiten Mal überhaupt die Möglichkeit zur Säuerung von Most oder Jungwein zugelassen.Was bedeutet das?
Der Klimawandel ist in vollem Gang. Nach Berechnungen der Nasa lagen die zehn wärmsten Jahre seit Beginn der Wetteraufzeichnungen im Jahr 1880 zwischen1997 und 2008 Nicht zuletzt die Winzer in Deutschland spüren das überdeutlich. Durch die gestiegenen Temperaturen werden die Trauben früher reif, und die Zuckergehalte in den Früchten und somit auch die Alkoholgehalte der Weine liegen im Durchschnitt wesentlich höher als früher. Aber: Je reifer die Früchte, desto geringer ist auch ihr Gehalt an Fruchtsäuren. Die Säure jedoch, besonders bei der deutschen Lieblingsrebsorte Riesling, trägt ganz entscheidend zum typischen erfrischenden Geschmacksbild bei. Außerdem verleihen gute Säuregehalte den Weinen mikrobiologische Stabilität und ein langes Leben. In den wärmeren Weinbauländern der Erde ist die Säuerung der Moste und Weine kellertechnische Routine. So gilt in der Weinbauzone C der Europäischen Union, also zum Beispiel in Süditalien, ein totales Verbot, den Alkoholgehalt anzuheben. Aber Säurezusatz ist dort völlig normal und auch nötig, um die Weine überlebensfähig und schmackhaft zu machen. In Deutschland galt dagegen immer das Verbot, Weine zu säuern. Die Erhöhung des Alkoholgehalts durch  Chaptalisation war hingegen in vielen Jahren unerlässlich. Auch diese erfolgte aus demselben Grund wie die Säuerung in Süditalien, nämlich um die Weine überlebensfähig und schmackhaft zu machen. Heute sehen sich die deutschen Winzer plötzlich vor der Aufgabe, die Säuregehalte mancher Weine anheben zu müssen. Hierzu gestattet der Gesetzgeber eine Zugabe von 1,5 g/l Weinsäure zum Most und weitere 2,5 g/l zum Wein. - 2003 durfte ausschließlich L-Weinsäure verwendet werden, dieses Jahr dürfen auch Milchsäure und Äpfelsäure zum Einsatz kommen. Diese beiden haben, anders als die Weinsäure, nicht die Eigenschaft, Kristalle zu bilden und sich am Boden oder der Fasswand abzusetzen. Weinsäure hingegen bildet vor allem mit dem natürlich im Wein vorkommenden Kalium ein unlösliches, sauer schmeckendes Salz, den Weinstein,  auch Kaliumhydrogentartrat genannt. Genau diesem Umstand ist aber die besondere Wirkung des Zusatzes von Weinsäure zu verdanken. Denn Kalium (K+) beeinflusst die sensorische Wahrnehmung der Säuren im Wein ganz erheblich. Das wiederum hängt mit dem pH-Wert zusammen. Kalium maskiert die Säure und intensiviert das angenehme Mundgefühl, das mit Dichte oder Volumen des Weins umschrieben wird. Ist zuviel Kalium im Wein, schmeckt er seifi g und schwerfällig – der pH-Wert ist zu hoch. Ist der pH-Wert hingegen zu niedrig, empfi nden wir den Wein als schlank, dünn und die Säure als spitz. Der pH-Wert ist bekanntlich das Maß für die Stärke einer sauren oder basischen Flüssigkeit. Diesem Wert wird in heißen Weinbauländern eine viel höhere Bedeutung beigemessen als den Säuregehalten. Kalium erhöht den pH-Wert, Säure vermindert ihn. Je niedriger der pHWert, desto saurer schmeckt ein Wein. Das ist zunächst gar nicht einmal direkt abhängig von der Gesamtsäure des Weins, sondern vielmehr vom besonderen Zusammenspiel von Kalium und Weinsäure. Wie bereits erwähnt, wird ein Teil der zugesetzten Weinsäure durch das natürlich vorhandene Kalium in Form von Weinstein-Kristallen wieder ausgeschieden. Der pH-Wert wird also abgesenkt, ohne dass der analytische Säurewert ansteigt. Der Wein schmeckt etwas säuerlicher, ohne dass das in einer Analyse der Gesamtsäure deutlich zum Tragen kommt. Dieser Umstand ermöglicht ein sehr präzises Feintuning des Säuregeschmacks im Bereich von 1 g Weinsäure pro Liter. Denn die größte Gefahr beim Säuern der Weine ist die Übersäuerung, die beim Probieren als aufgesetzte, künstliche Säure empfunden wird und ein harmonisches Gesamtbild erheblich stören kann. Ein willkommener Nebeneffekt tritt beim Säuern von Mosten ein. Durch die Absenkung des pH-Werts wird es Milchsäurebakterien zunehmend ungemütlich. Außerdem wird die Wirksamkeit von freier schwefliger Säure erhöht und damit ein besserer Schutz vor einem unerwünschten biologischen Säureabbau erreicht. Auch ein anderer Nebeneffekt ist teilweise sehr gerne gesehen: Zur Schwermetallstabilisierung, also zur Verhinderung von Weintrübungen durch Eisenverbindungen nach der Abfüllung, ist die Zugabe von Zitronensäure bis zu einem Gehalt von 1g/l erlaubt. Dabei wird ganz nebenbei eine nette Aufsäuerung erreicht. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt!