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06. Mai 2011

Was machen eigentlich … Pheromone in den Weinbergen?

„Wer die Gerüche beherrschte, der beherrschte die Herzen der Menschen“, heißt es in Patrick Süskinds berühmtem Buch „Das Parfum“. Aber was hat das mit Pheromonen zu tun, und was hat das Thema auf dieser Seite verloren? Nun, nicht nur im zwischenmenschlichen Bereich spielen Gerüche eine große Rolle. Auch Insekten orientieren sich beim Fressen und bei der Liebe an Düften. 
Düfte können verführerisch sein, aber auch verwirrend. Genau diesen Umstand machen sich umweltbewusste Winzer heute in ganz Europa zunutze, um ihre Reben vor einem Insekt zu schützen, das enormen Schaden anrichten kann. Und diese Schutzmaßnahme funktioniert absolut biologisch, ohne jeglichen Einsatz von chemischen Insektiziden. Genau betrachtet, handelt es sich bei dem unliebsamen „Schädling“ um zwei recht unscheinbare Schmetterlinge, die den Winzern über die gesamte Vegetationsperiode vom Rebenaustrieb bis zur Lese große Sorgen bereiten können: Der „Einbindige“ und der „Bekreuzte Traubenwickler“. Der Traubenwickler legt nach dem Hochzeitsflug seine Eier an den Rebstöcken ab. Die daraus schlüpfenden Larven (Raupen) fressen Knospen, Blätter und Fruchtstände der Reben, verspinnen Blätter oder Trauben und verpuppen sich darin, um später wieder als Schmetterling einen Vermehrungspartner zu suchen. Beim „Einbindigen Traubenwickler“ geschieht das zweimal im Jahr, der „Bekreuzte Traubenwickler“ schafft bei günstigem Witterungsverlauf auch drei Generationen pro Jahr. Je nach Jahreszeit heißen die gefräßigen Larven des Falters – denn die Schmetterlingsraupen sind es, die die Schäden anrichten – „Heuwurm“, „Sauerwurm“ oder „Süßwurm“. Klingt niedlich, ist aber ein echtes Problem. Der Heuwurm macht sich noch vor der Rebblüte über die Fruchtansätze der Reben, die so genannten „Gescheine“, her. Bis zu 30% des daraus resultierenden Ausfalls könnte der Rebstock noch durch das Bilden von größeren Beeren und Trauben im Laufe des Jahres kompensieren. Aber der Heuwurm ist auch in der Lage, je nach Wetter schon im Mai die Hälfte der zu erwartenden Erntemenge oder mehr zu fressen. Die zweite Generation, der Sauerwurm, liebt es, Löcher in die noch unreifen (sauren) Trauben zu fressen. Durch diese Verletzungen der Beerenhäute können Essigbakterien und Schimmelpilze eindringen. Die Trauben fangen an zu faulen, noch bevor sie reif werden können. Der Süßwurm schließlich frisst sich durch die reifen (süßen) Trauben und verursacht ebenso unerwünschte Fäulnis, Schimmel- und Essigbildung. Wie und wo kommen jetzt die Pheromone zum Einsatz? Wenn im Frühling die Temperaturen steigen, machen sich alle Schmetterlinge auf, um einen Partner zwecks Arterhaltung zu treffen. Pheromone (griechisch: pherein = tragen und hormon = antreiben) sind artspezifische Duftstoffe, die auch der Mensch in bestimmten Situationen verbreitet und die dabei helfen, einen Partner zu finden. Paarungsbereite Traubenwicklerweibchen locken damit die Männchen an, weshalb diese Stoffe auch Sexuallockstoffe genannt werden. Die Männchen haben dafür spezielle Antennen, mit denen sie schon ein einziges Molekül dieser Stoffe registrieren können. Sie können also einer Pheromonspur folgen und landen irgendwann zielsicher bei einem Weibchen. Hier fungieren nun die Winzer als Spaßbremsen und verteilen in den Weinbergen und drumherum Plastikampullen, die den Duft von Traubenwickler- Weibchen verbreiten. (ca. 500 Stück pro ha). Aufgrund dieses Überangebots verlieren die Männchen erst die Orientierung und schließlich die Lust. Keine Begattung, keine Eiablage, keine „Würmer“. Wissenschaftler nennen dieses Vorgehen auch „Paarungsstörung“. Der Zeitpunkt zur Ausbringung der Ampullen hängt von der Temperatursumme ab. Die Temperatursumme ist die Summe der Tages-Maximumwerte über 0° C vom 1. Januar eines Jahres an. Nach Untersuchungen des Weinbauinstituts Freiburg hat seit 1979 noch nie ein Falterflug unterhalb der Temperatursumme von 900 Gradtagen stattgefunden. Im langjährigen Durchschnitt begann demnach in Deutschlands wärmster Gegend bei Freiburg der Hochzeitsflug der Traubenwickler bei 1.070 Gradtagen. Wichtig ist eine möglichst großflächige Anwendung der Methode. Als Mindestfläche für die Anbringung der „Dispenser“ genannten Plastikampullen gelten 20 ha. Noch effizienter ist es aber, die Lockstoffe in einem kompletten zusammenhängenden Anbaugebiet einzusetzen. Diese Technik wird heute in Deutschland auf dem überwiegenden Teil der Weinbaufläche angewendet, womit die deutschen Winzer absolute Vorreiter in Europa sind. Klaus Herrmann Wer genau hinschaut, findet diese braunen Plastikampullen jetzt überall in und um die Weinberge an Rebstöcken und umstehenden Bäumen.
 
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