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03. Juni 2011

Wie betreibt man eigentlich ... Alkoholmanagement?

Wein enthält Alkohol – in Zeiten des Klimawandels mehr denn je. Alkohol beschwingt aber nicht nur und macht gute Laune, er enthält auch bauchfettbildende Energie und kostet so manchen Weinliebhaber zeitweilig den Führerschein. Verständlich deshalb der Ruf nach weniger Alkohol im Wein. Aber wie?
Bis zum Jahrtausendwechsel wurde über den Alkoholgehalt deutscher Weine höchstens dann diskutiert, wenn die Trauben mal wieder nicht reif genug waren und der Wein in den Kellern der Winzer „angereichert“ oder „chaptalisiert“ werden musste. Mittels Zuckerzugabe in den Most wurde der spätere Alkoholgehalt der Weine künstlich angehoben. Schon zu Beginn des 19. Jahrhunderts erkannte die Wissenschaft, dass Alkohol aus Zucker gebildet wird. Die Anhebung des Zuckergehalts diente dazu, die Weine aus kalten Jahren trinkbar und haltbar zu machen. In den heißen Weinbauregionen Spaniens, Italiens oder Australiens aber war dieses Problem noch nie gegeben. Dort haben die Winzer eher mit dem Problem einer zu geringen Säure zu kämpfen. Da aber sowohl Säure als auch Alkohol, vor allem aber die Fruchtigkeit zu einem angenehmen Geschmackserlebnis beim Weingenuss beitragen, ist es das Ziel der Weinerzeuger auf der ganzen Welt, ein möglichst harmonisches Zusammenspiel von Süße, Säure, Gerbstoffen und Alkohol zu erreichen und die Fruchtigkeit der Weine zu erhalten. Alkohol ist einerseits ein wichtiger Geschmacksträger, ohne den ein Wein fad und wässrig schmeckt. Andererseits aber zerstört zu viel Alkohol die zarten Fruchtnoten der Trauben und macht Rot- wie Weißweine bitter und brandig. In den vergangenen 20 Jahren hat sich das Erdklima spürbar verändert – und damit auch die Entwicklung der Reben. Nach Statistiken der Amtlichen Qualitätsweinprüfung in Rheinland- Pfalz hat der durchschnittliche Alkoholgehalt der geprüften Weine in den vergangenen zehn Jahren um 1 bis 1,5% Vol. zugenommen. Das ist eine Steigerung von mehr als 10%. An der Forschungsanstalt Geisenheim wurde beobachtet, dass die Rebenblüte statistisch heute etwa zwei Wochen früher stattfindet als noch vor 30 Jahren. Somit haben die Trauben im Laufe des Sommers einen wesentlich längeren Reifezeitraum und können mehr Zucker bilden. Und plötzlich haben deutsche Winzer ein früher unbekanntes Problem: Die Trauben sind so süß, dass völlig durchgegorene Weine oft zu hoch im Alkohol sind, der Geschmack dadurch unharmonisch und der Wein unverträglich wird. Am Mittelmeer und in Australien oder Kalifornien wird längst darüber nachgedacht, den Weinbau in höhere Regionen zu verschieben, um von kühleren Klimazonen zu profitieren. Aber das ist nur in seltenen Fällen möglich. Deshalb wurden dort Techniken entwickelt, den natürlichen Alkoholgehalt der Weine zu reduzieren. Welche Möglichkeiten der Alkoholreduzierung gibt es nun? Schon im Weinberg lässt sich die Zuckerproduktion durch eine Verkleinerung des Verhältnisses von Blättern zu Früchten verringern. Das Laub der Rebstöcke wird stark zurückgeschnitten, wodurch weniger Zucker in den Trauben eingelagert wird. Das tangiert allerdings leider auch andere wertvolle Inhaltsstoffe. Eine andere Möglichkeit sind „Minimalschnittanlagen“. Dabei werden die Reben im Winter nicht mehr geschnitten und können im Sommer fast unbehelligt wachsen und wuchern. Dadurch wird die Größe der Beeren reduziert und der Zuckergehalt vermindert. Für die Arbeit im Keller wurden zudem einige technische Verfahren zur Alkoholreduzierung entwickelt. Dazu gehört die Umkehrosmose, bei der dem Wein Wasser und Alkohol entzogen werden. Der Alkohol wird dann aus dem Wasser abdestilliert und das Wasser dem Wein wieder zugegeben. Bei der Vakuumdestillation wird der Destillationsvorgang unter starkem Unterdruck durchgeführt. Dadurch sinkt der Siedepunkt des Alkohols erheblich, und der Wein muss kaum erhitzt werden. Dabei gehen jedoch viele Aromastoffe verloren. Mit der Spinning Cone Column (deutsch: Schleuderkegelkolonne; siehe WEIN+ MARKT April 2009) werden Alkohol und Aromastoffe aus dem Wein entfernt. Die Aromastoffe fügt man anschließend wieder zu. Auch der schlichte Zusatz von Wasser in den Wein vermindert den Alkoholgehalt. In den USA ist der Wasserzusatz erlaubt und üblich. Für den Geschmack des Weins ist dies in jedem Fall die schonendste Methode. Eine Alternative ist, die Gärung bei einem gewissen Restzuckergehalt mittels starker Kühlung zu stoppen. Restsüße Weine haben immer weniger vorhandenen Alkohol als durchgegorene. Einen ähnlichen Effekt hat der Einsatz von Hefen mit geringer Gärleistung. Deren Einsatz ist aber noch wenig erforscht und oft mit Gentechnik verbunden. Die Maischegärung von Rotweinen in offenen Bottichen bei erhöhter Temperatur führt ebenfalls zu einem Alkoholverlust von bis zu 1% Vol. Dabei geht aber auch sehr viel Fruchtigkeit verloren. Klaus Herrmann
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