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02. Februar 2010

Wie kommt eigentlich exogene Kohlensäure in den Sekt?

Kürzlich sorgte eine Fernsehsendung im ZDF für Wirbel unter den deutschen Sekterzeugern – Verbrauchertäuschung wurde ihnen vorgeworfen. Angeblich enthalten alle Tankgärsekte mehr oder weniger große Anteile an exogener, also technisch hergestellter Kohlensäure. Was ist dran an der Geschichte?
 
Das tatsächlich existierende Problem ist: Wenn Sekt seine zweite Gärung hinter sich hat und die Hefen mühsam Kohlensäure hineingeschafft haben, müssen alle Leitungen, Filter, Tanks und auch die Flaschen, in die der Sekt abgefüllt werden soll, unter demselben Druck stehen wie der Tank, in dem die Versektung ablief, sonst geht die Gärungskohlensäure wieder verloren. Das wird „Arbeit unter isobaren Bedingungen“ genannt, also unter überall gleichem Druck.
Dafür werden die leeren Tanks und auch die leeren Flaschen vorher „vorgespannt“, das heißt, sie werden mit exogener (also aus anderen Quellen stammende, meist technisch hergestellter) Kohlensäure bis zu dem Druck gefüllt, der im gesamten Leitungssystem herrscht. Wird nun der Sekt in den vorgespannten leeren Tank gepumpt oder in die Flasche abgefüllt, wird ein Teil der im Raum vorhandenen Kohlensäure aufgenommen und im Gegenzug ein Teil der endogenen (also gärungseigenen) Kohlensäure abgegeben.
Tankgärsekte (Méthode Charmat) der uns bekannten Marken werden üblicherweise in sehr großen Gebinden hergestellt. Inhalte von 50.000 oder gar 100.000 l sind keine Besonderheit. Der fertige Sekt wird nach der Gärung prinzipiell ebenso weiterverarbeitet wie Stillwein, nur dass das ganze System von Tanks, Maschinen und Leitungen unter Druck stehen muss. Dabei ist ein Austausch von endogener und exogener CO2 in der Praxis unvermeidlich. Welche Menge das sein kann, hängt sehr stark von der verwendeten Technik ab.
Zum Beispiel findet in liegend aufgebauten Tanks eine größere Vermischung statt als in stehenden. Oder: Zur Befüllung der Flaschen wird ein Edelstahlrohr in die Flasche eingeführt. Dabei macht es einen großen Unterschied, ob dieses Rohr bis zum Boden der Flasche reicht und sie von unten her aufgefüllt wird oder ob es nur kurz ist und der Sekt an der Innenwand der Flaschen herunterläuft. Letzteres führt zu einer erheblich höheren Aufnahme von exogener CO2, die zum „Vorspannen“ der Flaschen benutzt werden muss. Auch die Geschwindigkeit, mit der der Sekt gepumpt wird, hat einen Einfluss auf die Übergänge von technischer Kohlensäure.
Das so genannte Transvasierverfahren, bei dem der Sekt in der Flasche vergoren wird, diese dann aber nach beendeter Gärung in Tanks entleert werden, um den Sekt zur Enthefung filtrieren zu können, hat von allen Techniken die höchste Durchmischungsrate. Transvasierte Sekte können also sehr hohe Gehalte an technischer Kohlensäure enthalten, obwohl sie als Flaschengärung bezeichnet werden dürfen. Dieses Verfahren ist heute nicht mehr so weit verbreitet. Es wird aber durchaus noch angewendet, vor allem für die Abfüllung von 0,2 l-Fläschchen.
Auch Champagner kommt nicht ohne aus und muss von Normalflaschen in Kleinflaschen umgefüllt werden. Das „Problem“ ist – wie man so schön sagt – systemimmanent - also in Wahrheit gar kein Problem, sondern Bestandteil der regulären Sektherstellung seit es die Technik der Tankgärung gibt.
Im Gesetz steht, dass die Kohlensäure im Sekt aus der zweiten Gärung stammen muss. Die Überwachungsbehörden akzeptieren aber „technisch unvermeidbare Übergänge“, wenn der Kohlensäuredruck vollständig durch eine zweite Gärung entstanden ist und während der Weiterverarbeitung nicht erhöht wurde. Heißt im Klartext: Gewisse Anteile an exogener CO2 werden geduldet, da technisch nicht vermeidbar. Hauptsache der Gesamtdruck ist in der Flasche nicht höher als unmittelbar nach Gärungsende im Tank.
Was heißt überhaupt technische Kohlensäure? CO2 oder auch Kohlendioxid ist ein farb-, geruch- und geschmackloses Gas, das als Treibhausgas in den letzten Jahren berühmt wurde. Der Gehalt in unserer Atemluft liegt nur bei 0,039%. Dennoch ist CO2 unverzichtbar für alles Leben auf der Erde. Alle Pflanzen brauchen CO2 für ihr Wachstum und geben dafür Sauerstoff an die Luft ab, den wiederum der Mensch zum Leben braucht. Kohlensäure entsteht, wenn man CO2 in Wasser (oder Wein) löst. Um es transportfähig zu machen, wird es unter 12 bar Druck komprimiert und bei -35 Grad Celsius verflüssigt. Außer in der Luft kommt das Gas in vulkanischem Mineralgestein vor, aus dem es mit Mineralwasser gefördert wird. Außerdem fällt CO2 bei der Luftverflüssigung zur Gewinnung von Stickstoff und Sauerstoff ab. Gehandelt wird CO2 in grauen Gasflaschen.
Klaus Herrmann