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28. Januar 2010

Super Schoppen Shopper 2010




„Deutschlands umfassendster Supermarktweinführer“ wird der 2010 Super Schoppen Shopper vom Verlag untertitelt. Geschrieben wurde der Weinführer nach holländischem Vorbild von Cordula Eich. Über die Autorin ist so gut wie nichts in Erfahrung zu bringen, und als deutsche Kontaktperson wird auf der Internetseite Bernhard Comms, Kino im Zentralbüro, Karl-Liebknecht-Str. 7 in 10178 Berlin genannt. Das Copyright lautet auf © 2009 Super Schoppen Shopper, Amsterdam.
Die vinologische Insider-Gemeinde rätselt daher, wer wohl Cordula Eich sein mag, die für diesen Weinführer nach eigenen Angaben „mehr als 1.000 Weine beschnüffelt, geschlürft, geschmatzt … und beurteilt!“ hat. „…für jeden verständlich, eigensinnig, absolut unabhängig und lobbyfrei, aber auch zu 100% subjektiv!“, wie sie im Internet preisgibt. „Wein muss schmecken – und sonst gar nichts!“, wird an derselben Stelle postuliert. Gleichwohl wurden angeblich „alle Weine in einem Fachlabor“ analysiert, und zur Bewertung standen ihr „ein geprüfter Weinkundler sowie ein ehemaliger Weineinkäufer einer niederländischen Supermarktkette zur Seite“.
Autorin Eich spekuliert auf das Wohlwollen der Leserinnen und Leser, indem sie sich schon im Vorwort artig bei allen Supermarktweinkunden entschuldigt, die ihre Ansichten über die genannten Weine möglicherweise nicht teilen - schließlich geht es in ihrem Buch wirklich um einen Rundumschlag, ausgeteilt wird nach allen Regeln der Kunst und nach allen Seiten.
In die Bewertung kamen Teile des Sortiments aller Discounter, von Edeka, Kaiser’s, Tengelmann und Rewe, aber auch einzelne Aktionsweine. Im Buch sind die Discounter und Supermärkte in alphabetischer Reihenfolge aufgeführt, die Weine nach Farben und Herkunft sortiert und bei der Verteilung der Bewertungs-Gläser „vor allem nach ihrem Preis-Leistungs-Verhältnis beurteilt“.
Zur Einstimmung gibt es zuerst einen „Schnellkurs in Rebenkunde“, der offensichtlich ebenfalls im Schnelldurchgang geschrieben wurde, denn neben den zahlreichen orthografischen Fehlern, die im Übrigen das ganze Buch durchziehen, tauchen einige fachliche Fehler auf. Zum Beispiel wird der Blaufränkisch als „in Österreich als Lemberger bekannt“ beschrieben, Cabernet Sauvignon ist laut Cordula Eich „die am meisten angebaute Traubensorte der Welt“, Chenin Blanc „vor allem in Südafrika und Kalifornien beliebt“ und „süss und fruchtig“. Grenache sei eine „besonders in Spanien beliebte hellrote Rebsorte“, Merlot „hat einen relativ hohen Alkoholgehalt“ und sei „nichts für Weicheier“.
Auch die neue gesetzliche Regelung des Prosecco ist der Autorin unbekannt. Die Aussage „Wein kommt heute aus modernen Laboratorien mit weißen Fliesen und Männern und Frauen in weißen Kitteln…“ ist wohl eher auf eine sehr persönliche Wahrnehmung zurückzuführen. Auch das Bild der Supermarktweine wird im Vorspann eher idealistisch gesehen: „Wenn der moderne Supermarktwein nicht lange lecker bleibt, ist es logisch, dass man immer zum jüngsten Jahrgang greift! Im Herbst wird geerntet, und ab März/April stehen frische Weine im Regal. Weiß und Rosé sollte man ab diesem Moment nicht mehr vom alten Jahrgang kaufen!“ Soviel zum Vorgeplänkel.
So richtig unterhaltsam wird es aber im Hauptteil des Buchs mit den Bewertungen. Denn in ihrer Wortwahl ist die Autorin nicht zimperlich, aber sie versteht es auch, positiv empfundene Weine sehr charmant und einfühlsam zu beschreiben. Ab und zu geht ihr zwar im locker-flockigen Sprachgalopp das Pferd durch, und es entstehen herrliche vinophile oder vinophobe Stilblüten, aber grundsätzlich ist ihre Sprache wohltuend erfrischend in dem oft bierernst-stickigen Klima der Degustaionsnotizen von Journalisten oder Weinakademikern. Nervig sind die vielen „kopierten“, also identischen Weinbeschreibungen, wenn es sich um Markenprodukte handelt, die in mehreren Handelsunternehmen zu finden sind. Ein Urteil, ob dieser Führer angesichts der schnell drehenden Weine im Discount wirklich hilfreich ist, sei dem Nutzer überlassen.
Eine kleine Auswahl der „besten“ Kommentare zu einzelnen Weinen sollte der Weinwelt aber an dieser Stelle nicht vorenthalten werden. Dies ist eine willkürlich herausgepickte und unsortierte Liste (inklusive Schreibfehlern) von Beschreibungen schlechter Weine: Sondermüll; mit Spargelwasser versetzt; schimmlige Himbeermarmelade mit viel Wasser verdünnt; prima Schorle-Wein – Spritzen nicht mehr nötig, hat der Abfüller schon erledigt; hirntoter Wein, am Alter gestorben; rückenmarksloser Mitläufer; ein neuseeländischer Unologe (das ist Vornehm für ‚Kellermeister’) der sich nach Südafrika verirrt hat und seinen Wein auf so typische Weise mit Spargelwasser versetzt; Mazedonien in aegaeischen Gefilden; in diesem Weinfass hing ein Dornfelder Teebeutel – zweiter Aufguss ...; in dieser Flasche sind Trauben, Zweige, Blätter und unreife Reben verarbeitet; nach diesem Pennertot schmeckt aller anderer Fusel göttlich; stinkt beim Öffnen und schmeckt nach nichts; herber Lambrusco mit Sprudelwasser versetzt (Anm.: zu einem Prosecco); Edeka –  das Chamäleon der Weinanbieter; Cidre verdünnt mit viel stillem Wasser (Anm.: zu einem Kerner Trocken); Wein wie ein durchgesessenes Sofa – man kann darauf sitzen, aber gemütlich ist es nicht; da rollen sich selbst die Zehnägel auf; Rheinwasser, abgefüllt am Tag als bei Ciba-Geigi die Kessel gespült wurden; alter Fusel; mit dem Sulfit aus dieser Flasche, kann man sein rohes Steak 2 Wochen konserviere; mit Wäscheklammer auf der Nase durchaus reizvoll; zum Entkalken der Kaffeemaschine, alles was in der europäischen Weinwirtschaft schief gelaufen ist in einer Flasche vereinigt; Kalkränder aus der Duschwanne entfernen, Fenster putzen … Alles, nur nicht trinken; hier haben die Winzer mit ihren Käsefüßen die Trauben gepresst; wer diesen Wein verkauft, sollte bestraft werden; Stecker raus und Schluss!; billiges Eau de Toilette; frisch geschöpftes Kanalwasser aus Venedig; riecht schon nach dem Altersheim, wo Sie Ihre Mutter niemals unterbringen würden; das Grün in diesem Veltliner kommt aus der Schimmelschicht. Alt und faulig; totgeschlagen in der Rheinbergfolterei; wenn Sie Ihrer Schwiegermutter zu verstehen geben wollen, dass sie jetzt wirklich nie wieder zu besuch kommen soll, schenken Sie ihr Graf Károlyi ein; altes Blumenwasser mit Sprudel versetzt; höchstens noch zu servieren im Altersheim zu totgekochtem Blumenkohl mit weißer Soße; eingefärbtes Köllnisch Wasser in der Riesenflasche; Zuckerwasser, in den ein paar vergammelte Rosinen geschwommen haben; verdünnte, ausgedorrte Blutreserve aus dem Schloss von Graf Dracula. Pfui Teufel! Zum Desinfizieren des Katzenklos!
 
 
Cordula Eich, 2010 Super Schoppen Shopper, ISBN 978-94-90538-01-9, 9,95 Euro