05. März 2018

Weingut Karl May - Bemerkenswerte Brüder

2015 Großer Bruder (Merlot/Cabernet Sauvignon)

88 + Punkte


    Wer in einer Blindverkostung Merlot und C. S. liest, denkt nicht unbedingt an einen deutschen Wein. Superfarbe, Nase ins Glas: wow! Hinter dem mächtigen Holz verbergen sich die beiden Rebsorten in ganz feiner Machart. Pfeffer, Grünschnitt und Cassis. Enormes Volumen und eine Superlänge. Reife Tannine und trotz der Jugend wunderbar ausgewogen. Mehrere Tage später am heimischen Herd ist die angebrochene Flasche erst richtig auf der Höhe. Damit lässt sich der letzte Zweifler am Klimawandel überzeugen. Internationales Top-Niveau eines deutschen Rotweins jenseits der Spätburgunder.
    

Karl May – bei dem Namen denken viele von uns unweigerlich an den Autor der Abenteuer von Winnetou und Old Shatterhand. Und tatsächlich haben die beiden Brüder Fritz und Peter May die literarische Vorlage als Inspiration für ihre Weinserie „Blutsbrüder“ genommen, die sie vor einiger Zeit erfolgreich auf den Markt gebracht haben. Die beiden führen in siebter Generation das Weingut Karl May in Osthofen (Wonnegau/ Rheinhessen), dessen Wurzeln bis ins Jahr 1815 zurückreichen. Heute bewirtschaftet der Betrieb insgesamt 34 ha Rebfläche, und zwar seit 2007 nach ökologischen Kriterien. Im Rebsortenspiegel dominiert bei den Weißweinen Riesling, vor Weiß- und Grauburgunder. Im Rotweinbereich setzen die Brüder hauptsächlich auf Spätburgunder. Sie haben aber auch die internationalen Sorten Cabernet Sauvignon und Merlot angepflanzt, von denen sich Fritz May in Zukunft noch einiges verspricht. Aus genau diesen beiden Sorten haben sie nun eine beachtliche Cuvée erzeugt und auf den Namen Großer Bruder getauft. Der Überraschungseffekt war groß, als wir am Ende unserer verdeckten Verkostung die Socke von der Flasche zogen und darunter ein deutscher Rotwein zum Vorschein kam. Wir hatten eher auf Frankreich oder Italien ge-  tippt. „Die Weine für die Cuvée stammen aus extrem niedrigen Erträgen“, betont Fritz May. Extrem niedrig, das heißt für ihn: 10 hl/ha bei Cabernet Sauvignon und 30 hl/ha beim Merlot. Alles in allem erzeugten sie für die Erstauflage des Bioweins aus dem Jahrgang 2015 nur etwa 1.000 Flaschen. „Zugute kam uns natürlich, dass 2015 für solche Sorten ein Paradejahr war“, erläutert Fritz May. Rare Tropfen haben gewöhnlich ihren Preis. Und so ist es auch beim Großen Bruder, der preislich bei 35 Euro/Flasche (UVP) angesiedelt ist. Wem das zu teuer ist: Für den kleineren Geldbeutel empfiehlt sich der Kleine Bruder des Hauses, eine Cuvée, die zum Großteil aus Dornfelder, aber auch aus Regent und St. Laurent besteht. „Rotwein muss nicht immer kräftig sein. Warum nicht auch mal was Leichteres, Filigraneres, Verspielteres? In der Richtung können wir hier in Deutschland einiges bieten, da sollten wir selbstbewusster auftreten“, kommentiert May. Vom Kleinen Bruder wurden beim Debüt immerhin 10.000 Flaschen aufgelegt.
 
www.weingut-karl-may.de